Yulya & Walter:
"Interfriendship und die Folgen!"
Vorab möchte ich anmerken, dass ich durch einen berufsbedingten Umzug aus dem Altschwabing Münchens in die Diaspora „Westpolens“ verschlagen wurde.
In dieser Ecke Deutschlands, in der unsere neue Bundeskanzlerin aufwuchs, werden zu abendlicher Stunde noch die Bürgersteige hochgeklappt, und das Angebot an holder Weiblichkeit ist überwiegend auf Versammlungen des Kaninchenzüchtervereins oder ähnlichen Veranstaltungen zu bewundern.
Zudem wird der „Wessi“ in diesem Teil der Republik oft noch mit grossem Misstrauen beäugt, was der Kontaktaufnahme zum anderen Geschlecht meist hinderlich ist.
Der Hinweis auf IF erschien mir also wie ein Geschenk des Himmels, wurde hier doch ein etwas anderes Antwortverhalten ausgelobt, als man es gemeinhin von deutschen Kontaktbörsen, mit denen ich ein paar Erfahrungen sammeln durfte, gewohnt ist.
Auch das Betrachten der eingestellten Bilder war eine wohltuende Abkehr von gewohntem Bildmaterial. Es mag sein, dass ich nicht unbedingt über ausufernde Erfahrungen mit Kontaktbörsen verfüge, und mir daher vergleichbare Angebote aus deutschen Landen mangels Kenntnis nicht zu Gesicht gelangten, aber mir erschien die IF Auswahl ähnlich dem Schlaraffenland.
Wie dem auch sei, ich war zunächst geblendet von der Vielzahl attraktiver Frauen, die hier scheinbar alle nach Männern aus dem westlichen Ausland suchten. Mir fiel ebenfalls auf, dass es absolut nicht ungewöhnlich war, dass eine Frau im Alter von 30 Jahren einen Partner von bis zu 60 suchte.
Natürlich gingen bei mir, als nicht gänzlich mit Scheuklappen durch die Welt eilendem deutschem Zeitgenossen, die Alarmglocken an, stand dieses Suchmuster doch in totalem Gegensatz zu meinen bisherigen Erfahrungen.
Mein erster Gedanke war zwangsläufig - hier konnte es sich doch nur um Wirtschaftsflüchtlinge handeln, die einen bequemen Weg aus der wirtschaftlichen Misere ihrer jeweiligen Heimatländer suchten, auch wenn dabei ein vielleicht nicht gerade attraktiver neuer Partner in Kauf genommen werden musste.
Was blieb mir also, zwecks Erfahrungsaufbaus wurden so genannte Chips der Internetplattform erworben und der Adressabruf hätte beginnen können, doch halt, vor den Adressabruf hatten die IF Verantwortlichen die Hürde eines eigenen Profils gestellt, wollte doch auch ich mich der östlichen Weiblichkeit präsentieren.
Mit sehr guten Hinweisen durch IF versehen, entschied ich mich für eine kurze, aber prägnante englischsprachige Textvariante, und versuchte dabei auf die durch Sparkassenwerbung bekannten Hinweise auf Haus, Auto und Boot (soweit vorhanden) zu verzichten, war es mir doch wichtig, nicht wegen materieller Sicherheit auserkoren zu werden .
Auch beim Foto nahm ich mir schnell die offiziellen Hinweise zu Herzen und glänzte ungewohnt grinsend mit einem Brustbild.
Endlich konnte es losgehen, und ich mache keinen Hehl daraus, meinerseits erfolgte ein reger Abruf, völlig hirnlos, einfach nur dem visuellen Eindruck folgend und von der jugendlichen Schönheit der Bilder geblendet.
Nach kurzer Zeit kam ich jedoch wieder auf den Teppich, da ich mir bewusst wurde hier schon fast pädophile Verhaltensmuster an den Tag zu legen.
Mir war die Dimension der russischen Weite Anfangs nicht ganz klar, fühlte ich mich doch als halber Weltreisender, da ich die Strecke Flensburg – München schon ein paar Mal unter den Reifen hatte und die Republik ebenfalls schon in Ost/West Richtung durchquerte. Erst ein Blick auf die Karte führte mir auch bildlich vor Augen, dass ein Treffen in Wladiwostok oder Novosibirsk wohl mit einer Reihe von Hindernissen verbunden sein würde, und mir wurde klar, das diese Städte nicht einfach mal eben um die Ecke waren.
Eventuell wäre der Welt einiges erspart geblieben, wenn unser GröFatz (Grösster Führer aller Zeiten) statt Lebensraum im Osten und Eva Braun eine Dame über IF gesucht, und sich unter diesem Gesichtspunkt mit der Landkarte hätte befassen müssen.
Auch wurde ich zwischenzeitlich mit dem IF Mitglieder Board konfrontiert, einer Plattform im www, in der InterFriendship Mitglieder Tipps und Informationen rund um die Problematik der Beziehungen zwischen Ost und West zum Besten gaben. Hier konnte man zum Teil erstaunliche Geschichten lesen, deren Sinn sich mir teilweise erst im Laufe der Zeit erschloss, nämlich dann, wenn ich mit ähnlichen Sachverhalten in Berührung kam (um ehrlich zu sein, habe ich einige Beiträge bis heute nicht verstanden).
Es gab in diesem Board verschiedene Mitgliederfraktionen, von denen eine z.B. das erste Treffen der frisch miteinander bekannt gewordenen in Russland favorisierte, die andere wiederum einen Erstbesuch in Deutschland für das Mass aller Dinge hielt. Ebenso wurde von einigen Mitgliedern davor gewarnt, eine Frau aus den grossen, östlichen Metropolen zu kontaktieren, da diese angeblich alle schon „verwestlicht“ seien, was immer dies auch bedeuten mag.
Die einzig wahre Schönheit mit der unverfälschten russischen Seele sei nur auf dem flachen Land zu finden.
Da mich die russische Seele mangels Kenntnis nicht sonderlich interessierte, diese zu finden überlasse ich lieber Schöngeistern wie althergebracht Puschkin, oder den Mitgliedern der Avantgarde wie Pelewin, waren für mich pragmatische Dinge interessanter. Hierzu zählte insbesondere die Erreichbarkeit meiner Auserwählten.
Aus diesem Grunde gewannen die gut erreichbaren Metropolen für mich an Bedeutung.
Natürlich spielten auch die Sprachkenntnisse meiner ersehnten, neuen Bekannten eine wichtige Rolle, hatte ich doch Systembedingt in der Jugend zwar verschiedene Fremdsprachen erlernt, und weitere Kenntnisse als Erwachsener erworben, doch die russische Sprache beherrschte ich nicht und kyrillische Buchstaben waren mir zunächst ein Rätsel.
In der fast schon Katalogmässig erstellten Form der weiblichen Profile liess sich bei dieser Plattform sehr schnell erkennen wie es um Sprachkenntnisse bestellt war, und auch über Ausbildung, Beruf, Hobbys, Ehestand und eventuelle Kinder konnte man einiges erfahren.
Es erstaunte mich schon, dass hier anscheinend überwiegend Akademikerinnen auf der Suche waren, und im Unterbewusstsein meldeten sich zarte Zweifel.
Ein weiterer Punkt war die Kinderlosigkeit der Auserwählten. Da ich die Freuden des Vaterseins in vielfacher Ausführung bereits erleben durfte, stand mir nach Erreichen des 50igsten Lebensjahres nicht unbedingt der Sinn nach weiterem Nachwuchs, hatte ich mein Bevölkerungspolitisches Soll doch bereits erfüllt.
Aus dem Bekanntenkreis war mir die Problematik mit angeheirateten Kindern wohl bekannt, und diese regulär auftretenden Integrationsprobleme wollte ich nicht mit der zusätzlichen Sprachbarriere und eventuellen Schwierigkeiten eines neuen Kulturkreises maximieren. Eine latent vorhandene Bequemlichkeit erleichterte mir diese Form der Verweigerung meines Beitrages zu einer gesunden, deutschen Bevölkerungsstruktur.
Im Board wurde ebenfalls vor so genanntem SCAM gewarnt. Mit diesem neudeutschen Ausdruck sollte darauf hingewiesen werden, dass tatsächliche oder fiktive Damen versuchen würden, den liebeshungrigen Akteuren aus dem finanziell angeblich so sicheren Europa das Geld aus der Tasche zu ziehen ohne sich anderweitig erkenntlich zu zeigen.
Unter Hinweis auf teilweise recht abenteuerliche Begebenheiten wurde hier entweder pausenlos gewarnt, und damit zwangsläufig jeder Neuzugang in diesem Metier verunsichert, oder vielfach aus Unwissenheit bzw. Vorsicht gefragt, ob die von weiblicher Seite erfolgte Frage nach Bargeld SCAM sei und den Beziehungsabbruch rechtfertige.
Es gibt sogar spezielle Seiten im www, auf denen die Profile dieser nicht ganz ehrlichen Damen abgerufen werden können. Es handelt sich dabei um Bilddatenbanken, in denen unterschiedliche Bilder dieser besonderen Spezies vorhanden sind, teilweise versehen mit diversen Namen, unterschiedlichen Altersangaben und verschiedenen Wohnorten, unter denen bisher inseriert wurde. Dem unvoreingenommenen Betrachter wird hier der Eindruck einer fast schon industrialisierten Verdienstmethode in Form von Abzocke vor Augen geführt.
In vielen Fällen kam hier seitens der suchenden, männlichen Kundschaft des Plattformbetreibers eine ganz besondere Form von Paranoia zum Ausdruck, die ich speziell in Bezug auf eine ernsthafte Partnersuche nicht ganz nachvollziehen konnte. In manchen Fällen vielleicht wirklich nicht unbegründet, kamen mir jedoch einige Reaktionen albern und masslos überzogen vor.
Zwischenzeitlich erfolgten Rückmeldungen auf meine Adressabrufe und die von mir in den meisten Fällen versendete, standardisierte Erstmail.
Zuvor im weiblichen Profil vorhandene Sprachkenntnisse, erwiesen sich manchmal nur als Hinweis auf ein vorhandenes Übersetzungsprogramm, dessen Unterstützung bei der Texterstellung Heiterkeit erzeugende Stilblüten und Wortschöpfungen hervorbrachte.
Andere Damen hatten sich mittels einer russischen Agentur angemeldet und liessen alle Nachrichten kostenpflichtig übersetzen. In diesen Fällen war ich dann erstaunt, dass es beim Telefonkontakt vielleicht gerade mal in Englisch mit der Verständigung klappte, während der schriftliche Gedankenaustausch in verständlichem Deutsch erfolgte.
In einigen Fällen kam zwangsläufig die Frage, wie ich mir die Beziehung bei einem Altersunterschied von fast 30 Jahren vorstelle, hatte ich doch auch Frauen im zarten Twen Alter angeschrieben, und ich geriet manchmal in Erklärungsnöte.
Das Antwortverhalten auf meine Kontaktversuche war recht unterschiedlich, manchmal erfolgte gar keine Rückantwort, trotz Nachfrage. Ebenso erging es mir ein paar Mal, wenn ich mich erdreistete einer Frau zu antworten, die nach Einsicht in mein Profil Interesse bekundet hatte, sich danach aber in ausschweifendes Schweigen hüllte.
Andere Damen gaben mir relativ schnell mit der ersten Antwortmail zu verstehen, dass ich nicht ihrem Typ entsprechen würde, oder teilten mit, bei ihrer Suche bereits fündig geworden zu sein. Speziell diese letzten Mails erfüllten mich im Nachherein mit Argwohn, verblieben diese Damen doch weiterhin mit ihrem Profil aktiv bei InterFriendship und sind es auch Monate später noch.
Insgesamt aber hatte ich jedoch einen deutlich besseren Eindruck als von ähnlichen Börsen deutschen Zuschnitts.
Nun begann der arbeitsintensive Teil, denn wer A sagt muss bei IF auch Briefe, bzw. Mails schreiben.
Wollte man etwas Persönliches von sich preisgeben, gleichzeitig auch noch das Profil der Angeschriebenen berücksichtigen, dann wurde aus diesen Schreiben flugs eine Nebenbeschäftigung in Form eines Halbtagsjobs.
Es stellte sich ziemlich schnell heraus, dass es einige sehr schreibfaule Damen gab, die nur wenig über die eigene Person oder ihre Lebensumstände zum Besten gaben. Zwar mit Handy und Festnetzanschluss bestückt, waren auch die Kontaktversuche per SMS oder Telefonat nicht wirklich aufschlussreich. Woran auch immer es gelegen haben mag, viele Kontakte verliefen im Sand.
Gleichzeitig verwunderte mich, wie schnell in vielen Fällen bei dieser Form der Bekanntschaft, die man beim besten Willen nicht als sehr ausgeprägt bezeichnen konnte, bereits verbal Küsschen verteilt, und von Liebe gesprochen wurde.
Dieses Verhalten legten auch einige Männer im Board in ihren Beiträgen an den Tag. Ich bin weder ein Kind von Traurigkeit, noch brauche ich wenn die Rahmenbedingungen stimmen, für die Entscheidung bezüglich einer Partnerschaft eine mehrjährige Prüfungszeit. Jedoch ging vieles von dem, was im IF Board zum Besten gegeben wurde, weit über den Tellerrand meines Verständnisses hinaus.
Wenn man sich ein wenig in die jeweiligen Beiträge einlas, war es schon sehr verwunderlich, wie häufig es in dieser Internetplattform zu einer virtuellen Liebesbeziehung kam. Voller Ernsthaftigkeit wurden in einigen Fällen Ehepläne geschmiedet, ohne dass es je zu einem persönlichen Treffen oder Gespräch gekommen wäre. Der Vormarsch dieser virtuellen Beziehungen scheint langsam sogar allgemein akzeptiert zu werden, denn in vielen Fällen wurden diese Mitglieder der IF Gemeinschaft durch andere Beiträge im Board in ihrer Auffassung noch bestärkt.
Wenn dann noch anscheinend Langzeitarbeitslose, deren Schicksal jeden von uns treffen kann, nach dem günstigsten Weg fragten, eine bisher nur via Internet kontaktierte Frau ohne gemeinsame Sprachkenntnisse zu ehelichen, stellte sich mir schon des Öfteren die Frage, ob diese Herren wirklich so blauäugig waren und sich der Mühen und Kosten sowie anschliessender Probleme einer Auslandsbeziehung tatsächlich nicht bewusst waren, oder ob hier nur mittels launiger Beiträge die restliche Leserschaft veralbert werden sollte.
Ohne eine Wertung vorzunehmen, konnte ich mich manchmal nicht des Eindrucks erwehren, dass hier sozial benachteiligte, männliche Mitbürger auf Grund eines Bildes den Versuch starteten, eine Frau abzubekommen, die zu ehelichen ihnen auf dem deutschen Ehemarkt eher unwahrscheinlich erschien. Ob der dazugehörige Schriftverkehr in allen Fällen den Tatsachen entsprach, und das tatsächliche Bild der Lebensumstände in Deutschland widerspiegelte, darf getrost bezweifelt werden.
Auch waren verschiedene Damen sofort mit dem Vorschlag zur Hand, sich mit mir für ein paar Tage zum Relaxen in der Türkei, Ägypten oder am Schwarzen Meer zu treffen, gab es doch für diese Länder nicht die teils unüberwindlichen Hürden bei der Visaerteilung.
Hier wurde ich dann meist auch wieder an die SCAM Warnungen erinnert, wobei mir diese Vorschläge mehr als Hinweis auf einen eventuell sehr netten und entspannenden Kurzurlaub vorkamen, mit dem einige Damen schon einschlägige Erfahrungen gesammelt zu haben schienen, denn als ernsthafte Versuche mir nur Geld aus der Tasche ziehen zu wollen. Grundsätzlich habe ich gegen diese Vergnügungen ja auch gar nichts einzuwenden, nur war dies ja eigentlich nicht Sinn und Zweck meiner Bemühungen, und um ehrlich zu sein, kann man dieses Abenteuer auch für kleineres Geld bekommen.
Unter Berücksichtigung der meisten, selbst auferlegten Vorgaben, kam es dann zu einem engeren Kontakt mit einer Frau aus Moskau, die bis auf eine Tochter im Teenageralter meinen Vorstellungen sehr nahe kam und auch an mir interessiert schien.
Eingedenk der Warnungen diverser Mitstreiter tauschten wir regelmässig aktuelle Schnappschüsse aus, um ja nicht auf Konfirmationsfotos reinzufallen. Der Emailverkehr nahm zu, es folgten SMS und eine Reihe von Telefonaten.
Kurzum, der Kontakt entwickelte sich Plattformkonform und ich gedachte den nächsten, logischen Schritt zu tun.
Nun ging es um ein erstes kennen lernen. Mir war klar, dass ich auch für den Fall des Scheiterns in diesem Fall, Nägel mit Köpfen machen würde und mir Russland auf jeden Fall, eventuell auch nur unter touristischen Gesichtspunkten, näher bringen würde. Daher erschien mir nach Abfrage der russischen Visagebühren ein Geschäftsvisum mit 12 Monaten Gültigkeit und der Möglichkeit einer vielfachen Einreise das lukrativste Angebot. Doch woher nehmen, hatte ich doch beim besten Willen keine Geschäftsverbindungen in diesen Teil der Welt.
Hilfestellung bot wie immer das Internet. Recht schnell war eine Agentur in Moskau ausfindig gemacht, welche mir bei der Beschaffung der erforderlichen Unterlagen behilflich war, selbstverständlich gegen Kostenerstattung.
Bevor die Visaerteilung erfolgte, die russischen Behörden lassen sich hier in feiner Abstufung auch die Dauer der Bearbeitung honorieren, ergab sich kurzfristig die Möglichkeit eines Treffens in Bulgarien, nahm doch die Tochter meiner Internetbekannten dort an einem internationalen Kindertanzwettbewerb teil.
Die sommerliche Jahreszeit passte, also wurde kurzfristig eine Woche Sonnenstrand in Bulgarien gebucht, und am Tag nach meiner Ankunft sollte das erste Treffen stattfinden.
Der Flug von Berlin dauerte knapp zwei Stunden, die anschliessende Gepäckausgabe am bulgarischen Flughafen Bourgas, gestaltete sich mit einer Dauer von gut drei Stunden schon etwas problematisch, und auch die Passagierabfertigung klappte nicht wie in anderen Ländern. Ich erahnte, warum diesem Land der Eintritt in die EU nicht gerade hinterher geworfen wird.
Nachdem dann glücklich alle Formalitäten am Flughafen erledigt waren, konnte es mit dem Bus zum gebuchten Hotel in Nessebar gehen.
Am nächsten Tag dann schienen sich alle meine zuvor angedachten Vorurteile und Befürchtungen in Bezug auf eine Internetbekanntschaft zu bewahrheiten.
Ich erhielt eine kurze SMS. „Tut mir leid, mir scheint wir geben kein gutes Paar ab. Vergiss mich, ich wünsche Dir ein schönes Leben.“
Da stand ich nun mit meinem kurzen Hemd in Bulgarien und hatte auf eine etwas seltsame Art einen Korb erhalten. Für mich erübrigten sich bei diesem Wortlaut weitere Nachfragen, dieser Beitrag wurde im grossen Erfahrungsordner abgeheftet, und ich wandte mich dem Strand und der Umgebung zu, hatte ich doch eine Woche Urlaub vor mir.
Da ich mich das erste Mal in Bulgarien befand, wollte ich natürlich Land und Leute kennen lernen. Einen Mietwagen organisiert und schon konnte es losgehen.
Der Fahrstil in Bulgarien sollte für mich der vorbereitende Einstieg in den Moskauer Strassenverkehr werden, was ich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht ahnte.
Bei meinen Exkursionen erinnerte mich die Bautätigkeit in der Nähe des Strandes an Spanien während der siebziger Jahre. Ein Neubau jagte den Nächsten, und ich fragte mich, wer denn diese Hotels alle nutzen solle. Der Preiskampf in dieser nicht unbedingt mondänen Urlaubsregion war jetzt schon gewaltig, der Strand nicht vermehrbar und im Quadratzentimeterbereich hart umkämpft, und die neuen Hotelanlagen oft kilometerweit vom Wasser entfernt.
Insgesamt war hier in den touristisch voll erschlossenen Gebieten schon etwas von einem Wirtschaftsumschwung zu bemerken. Die sehr schnell erkennbaren Hotelanlagen sozialistischen Ursprungs wichen langsam der gewohnten Eintönigkeit bekannter Touristenhochburgen westlichen Zuschnitts.
Die Hässlichkeit der überwiegend in den Wohngegenden vorhandenen Plattenbauten erfüllte jedes Klischee. Sobald man die touristischen Zentren verliess, überwog tristes Grau, und ich wurde ein wenig an den Osten Deutschlands kurz nach dem Mauerfall erinnert. Alleine dem optischen Eindruck folgend, wären diese Gebäude in Cottbus, Schwedt oder Berlin schon lange der Abrissbirne zum Opfer gefallen. Irgendwie war ich dankbar in einem anderen Teil der Welt aufgewachsen zu sein.
Neben ein paar alten, historischen Ausgrabungsstätten gab es nicht unbedingt die Welt an kulturellen Möglichkeiten am Sonnenstrand. In den touristisch voll erschlossenen, alten Dörfern wurde man an jeder Ecke mit Plagiaten europäischer Bekleidungs-, Uhren- und Schmuckhersteller konfrontiert, und ich wandte mich ausgiebig einer anderen Tätigkeit zu – LRB (Liegen, Ruhen, Bräunen).
Am Strand ging es zu wie früher am Teutonengrill in Rimini. Die Liegen standen dicht an dicht, und es war so gut wie ausgeschlossen Möglichkeit keine Liege mieten zu müssen, da die wenigen Meter freien Strandes total überbelegt waren.
Leider hatte ich es mit dem Sonnenbaden etwas übertrieben und durfte meine Rückreise stark gerötet antreten. Dank des Sonnenbrandes wurde ich auch Wochen später noch an die Tage in Bulgarien erinnert.
Nach dieser, bezüglich Kontaktaufnahme zum anderen Geschlecht, eher enttäuschenden Erfahrung, erfolgte durch mich erneut ein heftiger Adressabruf bei InterFriendship. Ich konzentrierte mich nun ausschliesslich auf Moskau und St. Petersburg.
Zwischenzeitlich war ich auch stolzer Besitzer eines Geschäftsvisums für Russland und konnte für 12 Monate einreisen wann immer es mir beliebte.
Bei einer Sonderaktion des Internetanbieters IF konnten Chips zum Sonderpreis erworben werden, schliesslich musste dieses Unternehmen auch irgendwie Geld umsetzen, und ich machte von diesem Angebot ausgiebigen Gebrauch.
Dabei hatte ich irgendwie nicht berücksichtigt, dass es nicht damit getan ist nur der Sammelleidenschaft zu frönen und Adressen abzurufen, auch der anschliessende Schriftverkehr wollte bewältigt sein. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, ist es mir nicht gelungen zu allen Damen, deren Adressen ich abgerufen hatte, Kontakt aufzunehmen.
Trotzdem kam ich auch mit den verbliebenen Namen und Gesichtern ganz schön ins rotieren, denn im Gegensatz zu meiner ersten Aktion erhielt ich diesmal ausgesprochen viele Rückläufer. Schnell wurde mir klar, dass hier eine Blitzauslese erfolgen musste, wollte ich auch nur annährend den Überblick behalten.
Zwischenzeitlich hatte ich so etwas wie einen Geschäftskontakt nach Moskau, und es stand ein erster Geschäftsbesuch an. Da ich gedachte das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, noch mal schnell alle Moskauer IF Kontakte überflogen und dann ein paar Dates fest gemacht.
Mein Russlandbild bestand bis dahin eigentlich nicht wirklich, hatte ich mich doch bisher kaum mit dem Land beschäftigt. Den Medien in Deutschland konnte man normalerweise auch nur etwas über die russische Mafia entnehmen, die Probleme beim Truppenabbau oder Prügelszenen in den Streitkräften, die Vernetzung der gaserzeugenden Industrie mit der Politik, sowie etwas über das langsam einsetzende Wirtschaftswachstum sowie über die Neureichen Russen.
Kurz gesagt, ich hatte gar keine Vorstellung was mich erwarten würde und bereitete mich mit ein wenig gemischten Gefühlen auf die Reise vor.
Ein preiswerter Flug Berlin - Moskau war dank der Such- und Vergleichsmöglichkeiten des World Wide Web schnell gefunden. Die Moskauer Agentur, welche mir schon bei der Visabeschaffung behilflich war, konnte mir auch einen sehr günstigen Preis in einem der grössten Moskauer Hotels am Roten Platz anbieten.
Ich hatte zuvor einen Bericht über das Hotel Rossia im Netz gefunden. Dieser rechteckige Koloss, direkt gegenüber der Basilius Kathedrale am Roten Platz gelegen und als Touristengrab bezeichnet, war zu Sovjetzeiten eines der Prestigeobjekte und vor gut dreissig Jahren das grösste Hotel Europas mit knapp 20.000 Betten.
Nun gab es Planungen dieses Hotel dem Erdboden gleich zu machen, wurde doch dringend weiterer Raum für Spielcasinos und ähnliches benötigt.
Für meine Anreise hatte ich mir natürlich das beste Datum rausgesucht, es war der letzte Tag der russischen Sommerferien, und dementsprechend lang gestaltete sich meine Fahrt vom Flughafen Vnukovo zum Roten Platz. Braucht man für die etwas über 30 km normalerweise eine knappe Stunde, dauerte es bei meinem Erstbesuch fast drei Stunden, und ich hatte ausgiebig Gelegenheit mir die Skyline der Stadt anzusehen.
Hochhäuser wohin man sah, riesige Plätze und an jeder Ecke die monumentalen Figuren vergangener oder aktueller Volkshelden. Von den auf mich niederrieselnden Eindrücken wurde ich fast erschlagen.
Bereits auf der Autobahn wurde man durch riesige Werbeplakate am freien Blick in die Botanik gehindert. Die ehemals triste Stadt versuchte nun mit Macht die kommunistische Zeit ohne Werbung zu verdrängen. In einigen Teilen sah es aus wie in Las Vegas, und die Leuchtreklamen versuchten auch am Tage gegen die Sonne anzukämpfen.
Vorbei an den Denkmälern Gagarins und Lenins ging es ins Zentrum zum Roten Platz. Jede sich bietende Möglichkeit schien in dieser Stadt genutzt worden zu sein um an einem freien Platz ein Denkmal zu postieren und an heroische Zeiten zu erinnern, oder mittels einer Tafel auf einen aus welchen Gründen auch immer, beachtenswerten Zeitgenossen hinzuweisen.
Das Hotel entpuppte sich tatsächlich als Touristengrab. Vier Eingänge, in jeder Himmelsrichtung einer, und Flure ohne Ende. Im Eingangsbereich Horden ausländischer Touristen. Bedingt durch die Bettenzahl ist dieser Publikumsverkehr vorgegeben. Die endlosen Gänge sollte man aber eigentlich mit dem Tretroller befahren, da sonst fast schon militärische Gewaltmärsche auf dem Programm stehen, wenn man das Hotel von der falschen Seite betritt und dann beginnt sein Zimmer zu suchen.
Ich bekam ein schönes, renoviertes Einzelzimmer mit Blick auf die Basilius Kathedrale, und ich konnte mich an diesem Ausblick nicht satt sehen. Das Bett stand dergestalt, dass einem vor dem Einschlafen der Blick auf den festlich beleuchteten Kreml gestattet war, und die Fensterfront entsprach der Wandbreite und –höhe. Es war ein tolles Gefühl, und ich fühlte mich sofort wohl.
In diesem Hotel wurde zumindest bei meinem ersten Besuch auch die Kontrolle der Gäste sehr genau genommen. Ohne Hotelausweis führte kein Weg an den Kontrolleuren zum Lift oder Treppenhaus vorbei.
Überhaupt hatte ich an diesen ersten Tagen in Moskau ein etwas unbehagliches Gefühl, denn eine derartige Uniformpräsenz, verbunden mit einem unglaublichen Kontrollwahn war mir bisher nirgends auf der Welt begegnet, und erinnerte mich fatal an Filmmachwerke aus den siebziger Jahren, als der eiserne Vorhang noch ein Thema war und es zum guten Ton gehörte, mit dem bösen russischen Image zu werben.
Nachdem ich aber erfuhr, dass am Wochenende die Feierlichkeiten zum Moskauer Stadtjubiläum stattfinden sollten, die Stadt feierte ihren 853 igsten Geburtstag, wurde mir klar, dass dieser Aufwand aus Angst vor Anschlägen tschetschenischer Terroristen betrieben wurde, hatten diese doch in den letzten Monaten mit spektakulären Aktionen in Moskau auf sich aufmerksam gemacht.
Am Samstag fanden rund um den Roten Platz jede Menge Open Air Veranstaltungen statt, und das Gebiet wurde von tausenden Soldaten und Milizionären, welche Schulter an Schulter standen, weiträumig abgeriegelt. Zugang zu diesen Veranstaltungen war nur nach Durchgang einer Sicherheitsschleuse möglich. Im Abstand von ein paar hundert Metern waren diese Metalldedektoren im Freien aufgestellt, und die Leute drängelten wie verrückt, um in den Innenbereich der Stadt zu gelangen.
Auch der Zugang zu meinem Hotel war nicht ohne weiteres möglich, obwohl es keine 200 m vom Veranstaltungsort eines Konzertes am Roten Platz entfernt war. Neben dem Pass wollte die Miliz auch den Hotelausweis sehen, ohne den es nicht möglich war auch nur in die Nähe des Gebäudes zu gelangen.
Selbst in den USA nach dem 11.09. hatte ich nicht solche Sicherheitsvorkehrungen erlebt.
Für den ersten Abend hatte ich bereits ein Date mit Alena ausgemacht. Alena arbeitete in einer internationalen Bank, sprach ausgezeichnet englisch und holte mich nach der Arbeit mit dem Auto im Hotel ab.
Als waschechte Moskauerin war sie sehr stolz auf ihre Stadt und musste natürlich mit mir eine Sightseeing Tour im Schnelldurchgang machen.
Langsam wusste ich nicht mehr wo mir der Kopf stand. Es ist einfach unglaublich wie gross die Stadt ist, und besonders der nächtliche Panoramablick über die Stadt verdeutlicht einem ein wenig die Dimensionen.
Mein Hauptanliegen bei diesem Besuch war jedoch nicht die Kultur oder Sightseeing, sondern ich wollte mich mit Frauen treffen und feststellen ob man sich riechen konnte. Ausserdem war ich hungrig und Alena suchte ein schönes Restaurant aus, wo ich mich zum ersten Mal mit der russischen Küche auseinandersetzen durfte. Da ich nicht in der Lage war die kyrillische Speisekarte zu entziffern, versuchte Alena es mit entsprechenden Erklärungen.
Um es kurz zu machen, so ganz entsprach das Ganze nicht meinem deutschen Gaumen, was die Küche auf den Tisch brachte, aber im Gegensatz zur asiatischen Küche erwarteten mich keine wirklichen Überraschungen.
Alena sah in Natura wesentlich besser aus als auf den professionell gemachten IF Bildern. Ich war positiv überrascht und ehrlich begeistert, weiss jedoch bis heute nicht genau, welchen Eindruck ich wirklich hinterliess.
Deutlich über 180 cm hoch gewachsen und schlank, war sie einfach eine Augenweide. Die abendlichen Gespräche verliefen wie erhofft, eine gegenseitige Symphatie über die vorhergehenden Mails und Telefonate hinaus war durchaus vorhanden und auch die jeweiligen Ansichten zeugten von einer gemeinsamen Wellenlänge. Aber dann kam das Gespräch unvermittelt auf das Thema Familienplanung. Hier liefen unsere Vorstellungen deutlich auseinander, und da ich an einer weiteren Vermehrung nicht interessiert war, beschlossen wir es bei einem freundschaftlichen Kontakt zu belassen.
Mittlerweile war der neue Tag angebrochen, und ich wurde ins Hotel zurückgebracht. Mit dem herrlichen Blick auf den hell erleuchteten Roten Platz ging mein erster Tag in Moskau zu Ende.
Neuer Tag, neues Glück. Zuerst gab es ein russisches Frühstücksbüfett. Eierbecher scheinen in Russland entweder unbekannt zu sein, oder es handelt sich immer noch um einen so genannten Defizit Artikel. In der Vergangenheit wurden so alle Gegenstände bezeichnet, die wegen der Planwirtschaft nur selten im normalen Verkauf auftauchten. Brötchen und Croissants waren vorhanden, hatten aber einen unbeschreibbaren, russischen Einschlag. Die Auswahl an unterschiedlichen Teesorten war Klasse, der Kaffee jedoch ungeniessbar. Dafür gab es Früchte in ausreichender Vielfalt.
Frisch gestärkt machte ich mich auf den Weg die nähere Umgebung zu erkunden.
Schnell wurde mir klar, warum die meisten Strassen, die teilweise bis zu 50 m breit sind, in Moskau untertunnelt waren. Da die Autofahrer auf Fussgänger keine Rücksicht nehmen, ist es wesentlich sicherer die Strassen mit Hilfe eines Tunnels zu unterqueren. Von diesen Tunnels gibt es jede Menge, und man findet in ihnen auch sehr viele kleine Geschäfte, in denen Snacks, Zeitungen, Zigaretten und andere Artikel angeboten werden. Neben fliegenden Händlern gehören hier auch die Musikanten zum Tunnelbild, und des Öfteren musiziert hier ein halbes Streichorchester mit hervorragenden Darbietungen. Dann geht es unter der Erde auch mal zu wie auf dem Münchner Oktoberfest. Es herrscht manchmal ein Gedränge und Geschiebe wie an einem Wiesn Sonntag. Auch die Zugänge zu den Metrostationen werden in vielen Fällen zur Strassenquerung genutzt. Durch einen dieser Tunnel kam ich vom Hotel zum Roten Platz.
Hier herrschte der anscheinend übliche Touristentrubel. Reisegruppen aus aller Herren Länder stiefelten hinter bunten Fähnchen her und hörten auf die Vorträge der Fremdenführer. Auch ich war natürlich mit einem Führer in schriftlicher Form bewaffnet, von dem ich alles Wissenswerte zu den von mir angesteuerten Sehenswürdigkeiten erfahren konnte.
Vor dem Lenin Mausoleum der befürchtete Stau, jedoch lange nicht mehr die Wartezeiten, welche den Touristen vor Jahren erwarteten. Musste man vor 15 Jahren angeblich mit 6 bis 8 Stunden rechnen, war es hier mit einer halben Stunde getan.
Gegenüber dem Mausoleum ging es ins GUM, das ehemals grösste Kaufhaus Moskaus, welches in der Vergangenheit öfter mit dem Kaufhaus des Westens in Berlin verglichen wurde. Für mich eher eine Enttäuschung, war es doch nur Shop an Shop eine Anhäufung sämtlicher Luxusdesigner der Welt, welche diese Adresse zu Repräsentationszwecken zu benötigen schienen. Die Preisgestaltung ging teilweise in astronomische Höhen, und trotzdem waren nicht nur Touristen aus Sightseeinggründen vor Ort, sondern auch eine Menge Russen nutzen die gebotenen Einkaufsmöglichkeiten und liessen einen Haufen Geld im GUM.
Vor diesem Kaufhaus traf ich mich mit Svetlana. Sie studierte Medizin in Moskau und unser Schriftverkehr war schon sehr persönlich geworden. Bei den Telefonaten bekam ich mit, dass sie bei den englischen Sprachkenntnissen wohl einer Selbstüberschätzung unterlag, und ich war gespannt auf das Treffen.
Da wir genügend Fotos ausgetauscht hatten, erkannten wir uns in der Menge auf den ersten Blick. Auch bei Svetlana wurde ich angenehm überrascht, war doch die optische Erscheinung in Natura um Klassen besser, als die Fotos vermuten liessen.
Sie zeigte mir auch wieder ein paar Sehenswürdigkeiten Moskaus, und wir hatten einen schönen Tag. Jedoch fehlte der berühmte Funke. Wir hatten schon einige Sprachprobleme, und sehr oft musste dann der elektronische Übersetzer herhalten. Auch fehlte die gemeinsame Wellenlänge, wir waren eben jeweils anders gestrickt. Obwohl Svetlana an weiteren Treffen interessiert schien, brach ich den Kontakt ab.
Bevor ich mich bezüglich dieser Treffen in allzu vielen Wiederholungen verliere, komme ich zu der für mich entscheidenden Begegnung.
Das GUM musste auch diesmal als Treffpunkt herhalten. Ich hatte mich mit Yuliya verabredet. Sie arbeitete als Geschäftsführerin in einem Moskauer Wellness Salon, was keinesfalls der Ausbildung als Ingenieur im Hochbau entsprach. Der bei IF im Profil verwendete Begriff Manager, in einigen Beiträgen von der deutschen Männerwelt mild belächelt, war hier durchaus zutreffend. Diese Orientierung in ausbildungsfremde Berufe scheint in Russland zwischenzeitlich üblich zu sein, traf ich doch viele Leute, die nicht im erlernten Beruf arbeiteten, weil es bessere Verdienstmöglichkeiten in anderen Beschäftigungen gab.
Wir trafen uns gegen Mittag natürlich wieder mal im dicksten Trubel, und ich erkannte sie trotz zuvor erhaltener, aktueller Bilder, nicht auf den ersten Blick. Yuliya jedoch hatte keinerlei Probleme mich zu identifizieren, und wir verbrachten einen schönen Nachmittag und Abend in der Stadt.
Selbstverständlich war auch in diesem Fall wieder Sightseeing angesagt. Aus meiner Sicht war es schon hochinteressant, die Stadt von unterschiedlichen Leuten gezeigt und erklärt zu bekommen. Hatte doch jede der Damen ein ganz spezielles Verhältnis zu Moskau und dementsprechend unterschiedlich waren die Schwerpunkte bei den Besichtigungen.
Yuliya hatte im IF Profil nur Fotos des Oberkörpers und Portraits eingestellt, und trotz Grössen- und Gewichtsangabe wurde mir bei unserem ersten Treffen klar warum dies so war. Den leiblichen Genüssen wohl nicht ganz abgeneigt, hatte sie an den etwas tiefer liegenden Rundungen ihre kleinen Problemzonen. Natürlich war ich mit Wunschvorstellungen zu diesem Treffen gegangen, aber da es zwischen uns ziemlich schnell funkte, stellte ich mich vor den Spiegel und war danach auf einmal richtig froh, dass sie an einem weiteren Treffen interessiert war.
Um es kurz zu machen, ich war in den letzten 6 Monaten 14 Mal in Moskau, teilweise bis zu drei Wochen, und auch Yuliya hat mich zwischenzeitlich in Deutschland besucht. Da ich kein Freund allzu langer Prüfungsphasen bin, haben wir Nägel mit Köpfen gemacht und am 17. Februar 2006 in Chekov bei Moskau geheiratet.
In der Stadt hat mich die Metro sofort in ihren Bann gezogen. Von Stalin wurden die einzelnen Haltestellen zu Beginn des letzten Jahrhunderts als Paläste für das Volk geplant, jedoch wird die begeisternde Architektur vieler Stationen anscheinend nur noch von Touristen wahrgenommen. In vielen Schlössern Europas muss man lange nach einer solchen Pracht suchen. Hier wurde absolut verschwenderisch mit Marmor gebaut. Jede Station hat ihren unverwechselbaren Charakter und ist ein Kleinod für sich. Es handelt sich bei der Moskauer Metro um eine der tiefsten und schnellsten U-Bahnen weltweit. Schon die Rolltreppen erschrecken durch ihren Neigungswinkel, und teilweise ist das andere Ende der Treppe nicht zu sehen wenn man die Stufen betritt.
Alle zwei Minuten kommt ein Zug, und an einer im Ausfahrtbereich angebrachten Uhr, kann man ablesen wie lange der letzte Zug schon weg ist. Manchmal dauert es keine 40 Sekunden, und schon kann man in den nächsten Zug zusteigen.
Eine Besonderheit im Moskauer Metronetz sind die Umsteigebahnhöfe. Diese tragen unterschiedliche Namen. Treffen sich in einer Station z.B. drei unterschiedliche Linien, dann haben die entsprechenden Haltestellen auch verschiedene Namen. Wenn man es mal probiert hat, stellt man fest, dass sich mit diesem System auch ohne grosse Sprachkenntnisse klar kommen lässt.
Es gibt eine Ringlinie, die von allen anderen Linien an irgendeinem Punkt gekreuzt wird, und so kann man ziemlich schnell in der Stadt an den gewünschten Ort kommen.
Die Beförderungspreise sind auch sehr angenehm. Man bezahlt mittlerweile ca. 50 Cent für ein Ticket, kann damit aber theoretisch den ganzen Tag Metro fahren. Voraussetzung ist, die Metrostationen werden nicht verlassen. Die Fahrscheinentwertung findet mittels eines Automaten bei Betreten der Station statt. Da hier auch das Kontrollpersonal steht, ist eine Fahrscheinkontrolle in den Zügen und auf den Bahnhöfen nicht erforderlich.
Nachdem ich feststellen konnte mit meiner Freundin auf einer Wellenlänge zu liegen, und rundherum alles stimmte, stand einer Eheschliessung grundsätzlich nichts mehr im Wege. Schliesslich hatte ich mich bei InterFriendship eingeschrieben um jemanden kennen zu lernen und die Ernsthaftigkeit meiner Absichten auch zu dokumentieren.
Es galt eine Entscheidung zu treffen, wo denn diese Zeremonie stattzufinden habe. Neben den Standorten Russland oder Deutschland, wurden im Mitgliederboard von IF ja auch noch diverse andere Möglichkeiten offeriert. Aus unterschiedlichen Gründen entschieden wir uns für eine Trauung in Russland.
Also wurde mittels der Suchfunktion im Mitgliederboard von IF nach Hinweisen für das weitere Vorgehen gesucht. Eine erstaunliche Welt tat sich auf.
Bisher waren mir Dinge wie ein Ehefähigkeitszeugnis absolut fremd, und erinnerten mich rein von der Phonetik an Begriffe aus vergangen geglaubten Zeiten.
Die Boardangaben verschiedener IF Mitglieder über das zu absolvierende Prozedere und die beizubringenden Unterlagen waren sehr verwirrend, also begaben wir uns kurzerhand zum Standesamt der Stadt Chekov, um Genaueres zu erfahren, nachdem uns telefonisch erklärt wurde an unseren Problemen bestünde kein Interesse und telefonische Auskünfte würden grundsätzlich nicht erteilt.
Nun hatten die Mitarbeiterinnen dieser etwas provinziellen Behörde nicht gerade auf uns gewartet, und es kam sofort wieder die typisch russische Liebenswürdigkeit zum Vorschein, welche scheinbar allen Fragestellern entgegengebracht wird.
Auslandsehen könne nur die Behördenleiterin abwickeln, und diese sei nur an zwei Tagen in der Woche anwesend, zu denen dieser Tag selbstredend nicht gehörte. Auf weitere Fragen wurde unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass man an unserem Anliegen kein Interesse habe.
Zur angegebenen Zeit am übernächsten Tag also erneuter Anlauf, und tatsächlich kamen wir nach für dortige Verhältnisse angemessener Wartezeit zur obersten Standesbeamtin der Stadt.
Nachdem wir unser Anliegen vorgetragen hatten, wurde zunächst ein verstaubter Ordner hervorgekramt. Hatte sich vor 5 Jahren doch schon einmal ein Deutscher erdreistet hier zu heiraten. Anhand dieses Vorganges wurde uns nun erklärt, welche Dokumente vorzulegen seien. Gefordert wurde eine Passkopie meinerseits, Kopie meiner russischen Meldebestätigung, meine Visakopie und ein Schreiben der deutschen Botschaft, dem zu entnehmen sei dass ich unverheiratet bin.
Auch hier waren weitere Nachfragen an eine Wand gerichtet, wir sollten die geforderten Papiere vorlegen, dann würde man weiter sehen.
Nun hatte ich von diesem Schreiben der Botschaft noch nie etwas im IF Board gelesen, und der ganze Vorgang kam mir spanisch vor. Also Anruf bei der Botschaft um den Sachverhalt zu klären.
Diese Briefe der Botschaft seien seit Jahren nicht mehr zulässig und zwischenzeitlich durch ein so genanntes Ehefähigkeitszeugnis ersetzt, wurde mir erklärt. Dieser Begriff tauchte ja auch im Board auf, und ich konnte mir unter diesem Dokument sehr wohl etwas vorstellen. Mir leuchtete das ja auch ein, aber wie sollte ich das der etwas unwilligen Dame des Standesamtes klar machen. Die telefonische Anfrage dort führte wieder zu der Aussage an unseren Problemen kein Interesse zu haben, also blieb nur erneutes Vorsprechen. Am nächsten Arbeitstag der Behördenchefin der wiederholte Anlauf. Nachdem in einschlägigen Verwaltungsvorschriften gewühlt, mehrere Telefonate mit der höher bezahlten Einsicht getätigt waren, wurde dieses Zeugnis akzeptiert. Jedoch tat sich ein neues Problem auf. Ich wurde mit der Frage konfrontiert, wer denn garantiere, dass ich zu einem gewünschten Trauungstermin auch tatsächlich anwesend sei. In diesem Fall verstieg sich diese Dame darauf, eine Vorabmeldebescheinigung für den Tag der Eheschliessung zu erhalten, sowie eine Bestätigung, dass ich den Flug zur Hochzeit auch ausführen würde. Es war ihr nur schwer zu vermitteln, dass sich in ganz Russland wohl kaum jemand finden würde, der dies bescheinigen könne. Auch war ihr nach gut dreissigminütigem Dialog nicht einsichtig, dass ich mit einem Geschäftsvisum für ein Jahr mehrmals in Russland ein- und ausreisen könne.
Für diese nach russischen Begriffen mit 70000 Einwohnern kleine Stadt, war eine Auslandsheirat etwas Besonderes, und es war diesen Leuten einfach nicht einsichtig, dass hier jemand in so einem Sonderfall partout nach den Vorschriften heiraten wollte, anstatt seinen Obolus zu entrichten, und ohne weitere Frage seine Wünsche erfüllt zu bekommen.
Nachdem ich in Deutschland die erforderlichen Dokumente besorgt hatte, vorsorglich auch noch Meldebestätigung, internationale Geburtsurkunde und da ich verwitwet war auch eine Sterbeurkunde meiner Frau, wurden diese in Deutschland mit der erforderlichen Apostille versehen.
Bei dieser Apostille, die auf Grund eines Abkommens unterschiedlicher Staaten den Urkundenverkehr vereinfachen soll, handelt es sich eigentlich nur um einen einfachen Stempel, mit dem die nächsthöhere staatliche Instanz die Urkunde beglaubigt.
Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen, wurde mir die Meldebescheinigung vom Einwohnermeldeamt meiner Heimatstadt ausgestellt. Mit diesem Dokument begab ich mich nun zur Kreisbehörde, um dort einen weiteren Stempel zu erhalten, mit dem bestätigt wurde, dass der Beamte der ausstellenden Stadt hierzu auch berechtigt sei, diese Urkunde auszustellen. Versehen mit diesem Stempel konnte ich nun zur Landesregierung, die wiederum einen wesentlich grösseren, rechteckigen Stempel anbrachte, mit dem die vorhergehenden Stempel beglaubigt wurden. Irgendwo in diesem ganzen Stempelwust tauchte auch mal das Wort Apostille auf.
Besonders interessant wurde es bei der Sterbeurkunde meiner Ehefrau, die in Khao Lak, Thailand verstarb. Die entsprechende, aus dem Thailändischen übersetzte Urkunde wurde vom deutschen Konsul in Phuket/Thailand ausgestellt, und daher musste der Logik folgend die Apostille auch vom Aussenministerium erstellt werden.
Es lebe der Vorgang.
Versehen mit diesem Dokumentenstapel begab ich mich zu einem Übersetzungsbüro in Moskau, sind hier die Gebührensätze doch deutlich freundlicher und Geldbeutelschonender als in unserem Heimatland. Nach zwei Tagen waren alle Papiere ins russische übersetzt, und ich konnte zum russischen Notar, welcher die Übersetzungen, jede für sich, beglaubigte und mit einem lustigen, goldenen Fähnchen versah, welches mit Tesastreifen an der der Rückseite fixiert wurde.
Geschafft, nun nur noch auf einen Arbeitstag der Standesbeamtin warten und Termin festlegen. Doch welch Wunder, es tat sich neues Ungemach auf. Plötzlich argwöhnte die gute Frau, dass ich sämtliche Dokumente nur unter massivem Druck meiner zukünftigen Frau in Deutschland besorgt hätte. Ausserdem könne Sie mich mangels Sprachkenntnissen ja gar nicht befragen, ob ich der Ehe zustimmen würde. Da meine Frau parteilich sei, dürfe Sie in diesem Fall natürlich auch nicht übersetzen, und es müsse ein Dolmetscher hinzugezogen werden.
Langsam wurde mir diese Dreistigkeit doch zu viel, und ich liess nachfragen, ob Sie denn eventuell ein vom russischen Notar beglaubigtes Schreiben benötige, dass ich Heiratswillig sei. Dieses wurde schnell verneint, jedoch stand die Forderung nach einem Übersetzer weiter im Raum.
Endlich stand der lang ersehnte Termin an. Wir fanden uns eine viertel Stunde vor der vereinbarten Zeit im Standesamt ein, wurden jedoch direkt am Eingang sehr kurz abgefertigt und in einen Nebenraum bugsiert um dort zu warten. Punkt Vier durften wir dann das geheiligte Wirkungszentrum der Büroleiterin betreten. Vorsichtshalber hatte ich eine deutschsprachige Freundin meiner zukünftigen Gattin mitgenommen, die in der Lage war den erwarteten russischen Zeremonienverlauf zu übersetzen.
Doch da nach meinem Dafürhalten die Leiterin des Standesamtes noch immer ziemlich angesäuert war, weil mit mir kein zusätzliches Geld zu verdienen war, kam es nur zu einer kurzen Erklärung ihrerseits.
Sinngemäss lief es etwa folgendermassen ab : „ Wir sind etwas in Zeitdruck und haben keine Zeit, dass sie sich hinsetzen. Wer wird hier übersetzen? Es dürfen keine Fotos gemacht werden. Sie haben uns gebeten die Dokumente zu erstellen, mit denen ihre Eheschliessung bescheinigt wird. Wenn sie dem zustimmen, dann unterschreiben sie bitte hier, hier, hier und hier. Danke.“
Weder einen guten Tag, noch ein auf Wiedersehen, geschweige denn ein Lächeln wurde uns offeriert. Nach exakt vier Minuten, welche wir stehend im Büro verbrachten, konnten wir das Standesamt wieder verlassen. Zumindest hatten wir jetzt das gewünschte Dokument mit dem die Eheschliessung dokumentiert wurde. Diese Heirat gehört vom amtlichen Zeremonieverlauf mit zum Schrägsten, was mir bisher bezüglich Eheschliessung je untergekommen ist, und dies war nicht die erste Trauung, an der ich als direkt Betroffener oder Zaungast, teilgenommen habe.
Auf Nachfrage im Bekanntenkreis kamen jedoch jede Menge Statements, dass dieses Verhalten absolut normal sei und auch der Norm bei russischen Hochzeiten in dieser Gemeinde entspräche. Jedes freundliche Wort wäre im Vorfeld zu vereinbaren und natürlich auch gesondert zu bezahlen.
Die anschliessende Hochzeitsfeier im kleinen Familienkreis wog jedoch die vorherigen Erlebnisse voll auf.
Gespannt bin ich jetzt, wie es mit dem Behördendschungel in Deutschland weitergeht, denn der Weg zur deutschen Aufenthaltsgenehmigung steht uns ja noch bevor.
Wir haben uns übrigens auf meinen Nachnamen als gemeinsamen Familiennamen geeinigt, und vor Beantragung des deutschen Visums zur Familienzusammenführung steht jetzt erst einmal der neue russische Inlands- und Auslandspass.
Auch in Russland muss man sich beim Einwohnermeldeamt registrieren lassen. Dies gilt nicht nur für russische Staatsbürger, sonder auch für Touristen.
Ab einer Aufenthaltsdauer von über drei Werktagen ist eine Registrierung fällig, und dies nicht nur wenn man sich an einem Ort aufhält, sondern auch für den Fall einer Rundreise. Bei einer eventuellen Prüfung dieser Registrierung wird es zumindest Geld kosten, um den Prüfenden versöhnlich zu stimmen.
Bei touristischen Besuchen mit Hotelübernachtung ist dies normalerweise kein Problem, da das Hotel die Registrierung vornimmt. In der Regel verfügt der Beherbergungsbetrieb über einen entsprechenden Stempel, mit dem das Einreiseformular nach Meldung bei der Behörde rückseitig abgestempelt wird.
Etwas anders sieht es aus beim Besuch von Privatpersonen. Hier muss die Registrierung selber vorgenommen werden.
Also auf zum Einwohnermeldeamt (OWIR), das sich durch Nichts von den übrigen Wohngebäuden unterscheidet und mal eben den Stempel geholt.
Spätestens nach Öffnen der Eingangstür, bekommt man einen Eindruck von den Zuständen in den früheren Notaufnahmelagern, an die sich ein Bundesbürger der das Lebensalter von 45 Jahren noch nicht überschritten hat wohl kaum erinnern kann.
Qualvolle Enge mit grundsätzlich nicht ausreichenden Sitzgelegenheiten scheint die Regel. Permanent durch „Kunden“ überlastete, unfreundliche Behördenmitarbeiter, zu Winterzeiten total überheizte Räumlichkeiten, “orientalische“ Gerüche und unkalkulierbare Wartezeiten sind hier die Norm.
Mal kurz stempeln lassen funktioniert hier nur über die Bargeldschiene mit entsprechenden Beziehungen. Sollten diese Beziehungen nicht vorhanden sein, nützt Geld allein auch nicht viel, und es bleibt nur der Weg durch die Instanzen, verbunden mit den entsprechenden Wartezeiten.
Eine andere Variante ist die Inanspruchnahme von Agenturen, die bei entsprechender Bezahlung auch die private Anmeldung übernehmen.
Wie ich feststellen konnte, haben einige dieser “Agenturen“ sich einfach nur einen Stempel gekauft, eine Anmeldung mit behördlicher Registrierung findet gar nicht statt. Mit Beträgen zwischen 20 und 70 Euro, liegt der Verdienst für diesen Stempel samt Ausfüllarbeit deutlich über dem regulären Einkommensniveau in Russland. Die Stempelung des Registrierungsformblattes fand bei mir auch nicht in einem Büro statt, sondern man traf sich in einer Metro Station, und dort wurde mal kurz Bares gegen Stempel getauscht. Langsam bekam ich Einblick in die Arbeitsweise dieser Schattenwirtschaft.
Ausserdem ist es gar nicht so einfach, diese “Agenturen“ auf die Schnelle ausfindig zu machen. Entgegen der Beschreibungen im Mitgliederboard von IF tat ich mich in einem konkreten Fall ziemlich hart, eine passende „Agentur“ zu finden. Bei einem meiner Besuche war die Direktorin meiner Agentur verreist, und es gelang mir erst am letzten Tag meines Aufenthalts, dank der Hilfe eines anderen IF Mitgliedes, welches mir freundlicherweise behilflich war, den begehrten Stempel zu bekommen. In Moskau ist es zwischenzeitlich nicht mehr damit getan, einem Hotelangestellten mit Bargeld zu winken und dann problemlos diese Registrierung zu erhalten.
Eine wesentlich interessantere Variante der russischen Bürokratie ist die Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis. Sobald ein Ausländer in Deutschland z.B. durch Eheschliessung die Aufenthaltsberechtigung erhält, wird diese durch die Ausländerbehörde ziemlich problemlos erteilt und in den Pass eingeklebt. Ganz so einfach ist es in Russland leider nicht. Ich werde demnächst diese Aufenthaltsberechtigung in Russland beantragen, da wir uns bisher nicht entscheiden konnten wo wir denn nun endgültig leben wollen. Mit Sicherheit werde ich dann ein paar weitere Anekdoten zum Besten geben können.
Da ich gedachte mein Jahresvisum voll auszuschöpfen, begann ich die Hotelkosten einer Wohnungsmiete gegenüber zu stellen. Anfangs ging ich jedoch von falschen Voraussetzungen aus, hatte ich doch Mieten im ländlichen Bereich Brandenburgs als Vergleichsmassstab genommen. Für eine einigermassen renovierte, kleine Wohnung durfte man in Moskau schon mal an die 1000 Euro monatlich investieren, wobei den Preisen in Abhängigkeit von Lage, Grösse und Ausstattung nach oben kein Ende gesetzt war.
Da ich mich in Deutschland ein wenig mit der Materie Immobilien beschäftigen durfte, wollte ich mich auch mit dem russischen Immobilienmarkt auseinandersetzen, schien mir der Wohnungserwerb doch unter diesen Voraussetzungen die vernünftigste Alternative.
Moskau zählt in diesem Bereich ja mit zu den teuersten Städten in Europa, und ist nicht mit dem Rest Russlands zu vergleichen.
Die Architektur rund um Moskau hatte für mich schon etwas Erschreckendes. In den letzten Jahrzehnten sind rund um den alten Stadtkern Schlafstädte in Plattenbauweise entstanden, gegen die Berlin Marzahn oder Bremen Vahr wie ein Kleinkinderbauversuch aus dem Lego Kasten wirken. Viertel mit Einfamilienhäusern sind so gut wie nicht anzutreffen und eher die Ausnahme. Da es schon ein Versprechen der kommunistischen Machthaber war, jedem Bürger eine Wohnung zur Verfügung stellen zu wollen, hat man frühzeitig begonnen Trabantenstädte in dieser schnell zu realisierenden und preiswerten Bauweise aus dem Boden zu stampfen. In vielen Fällen war dann zwar der Wohnraum vorhanden, jedoch fehlte die restliche Infrastruktur.
Teilweise kam man mit dem Strassenbau nicht hinter her. Die Anbindung ans öffentliche Verkehrsnetz konnte mit der Bautätigkeit nicht Schritt halten.
Einkaufsmöglichkeiten waren nur begrenzt vorhanden, kulturelle Einrichtungen fehlten Anfangs völlig.
Mittlerweile hat sich zumindest der optische Eindruck dieser Bauten gewandelt, und auch in Bezug auf die ergänzende Infrastruktur hat sich vieles geändert. Schon an den Fassaden kann man erkennen, ob es sich um ein Gebäude aus der Zeit nach Glasnost und Perestroika handelt.
Die Bauausführung an sich kann meiner Meinung nach nicht mit deutschen Gebäuden verglichen werden. Mittlerweile stolzer Besitzer einer 80 m² Wohnung mit 3 Zimmern in einem 2 Jahre alten Gebäude, war ich von der Qualität der Gebäude bis heute nicht zu überzeugen.
Wohnungen werden nach Fertigstellung anscheinend grundsätzlich im Rohbauzustand übergeben. Im konkreten Fall heisst das, Rohbetondecken und –böden, rohe Betonwände, offen verlegte Heizungs-, Wasser- und Abwasserrohre, Heizkörper ohne Regelventile, keine Elektroinstallation ausser einem Verteilerkasten. Die Wohnungseingangstür ist aus Blech und erinnert stark an deutsche Heizraumtüren, Innentüren sind keine vorhanden. Die Holzfenster zumindest entsprechen optisch dem gewohnten Standart mit Doppelverglasung und vernünftigen Dichtlippen. Dafür sucht man an den Gebäuden vergebens nach einer Wärmeisolierung, welche mir bei den hier im Winter herrschenden Temperaturen durchaus angebracht erscheint.
Für Wohnungen dieses Zuschnitts werden in guter Wohnlage in Moskau auch schon mal 2500 bis 3000 Euro pro Quadratmeter gefordert und gezahlt. Je weiter man in die Randbezirke kommt, desto niedriger wird der Preis, und in den Vororten kann man auch schon für 1000 bis 1500 Euro je Meter kaufen.
Hinzurechnen muss man in jedem Fall die Ausbau- oder Renovierungskosten, und die können je nach gewünschtem Standart noch mal mit der gleichen oder einer höheren Summe zu Buche schlagen.
Nur in Einzelfällen sind diese Häuser unterkellert, und sofern ein Balkon vorhanden ist, wird dieser als Abstellmöglichkeit genutzt.
Die öffentlich zugänglichen Bereiche verbleiben in einem Rohbauähnlichen Zustand. Hauseingangstüren haben viel Ähnlichkeit mit hiesigen Bautüren und scheinen wie die Wohnungstüren grundsätzlich aus Blech gefertigt. Treppenhäuser mit Farbe an den Wänden und Fliesen auf Stufen und Podesten gehören zu den Luxusgebäuden und sind dementsprechend selten anzutreffen.
Die mangelnde Isolierung der Gebäude führt bei extremen Aussentemperaturen von unter 25 Grad im Winter in den Wohnungen auch bei voll laufender Heizung zu Temperaturen von ca. 15 Grad. Da die Russen es eigentlich lieber etwas überheizt mögen, führt das immer wieder zu Verärgerung der Mieter und Eigentümer. Nur ändern kann man durch den Ärger gar nichts.
Speziell mit dem warmen Wasser hat es in Russland eine besondere Bewandtnis. Meist im Spätsommer oder Herbst, werden die Wasserleitungen überprüft. Zu diesem Zweck wird einfach die Warmwasserversorgung für mehrere Wochen abgestellt. Nur durch einen zusätzlichen Elektroboiler kann man dann in den Genuss einer warmen Dusche gelangen. An diesem Verfahren hat sich bis heute nichts geändert, und die Russen nehmen diesen Missstand mit einer Engelsgeduld hin. Dafür halten sich die Nebenkosten in einem erträglichen Rahmen. Bis auf Strom und Gas wird alles pauschal abgerechnet. Dadurch ergibt sich ein ziemlich sorgloser Umgang mit Wasser und Heizung.
Auch der bei uns langsam einsetzende Mülltourismus ist in Russland nicht bekannt. In meinem Fall gibt es für ca. 10 Blocks mit gut 600 Wohnungen einen Container am Ende der Strasse. Der Müll kann nicht bequem mal eben neben dem Haus entsorgt werden, man muss schon ein paar Meter laufen. Dafür wird der Container regelmässig alle zwei Tage geleert. Streiks wie bei uns, zur Durchsetzung einer Arbeitszeit von unter 40 Stunden die Woche sind hier noch nicht bekannt. Ein Mülltransport kurz vor Mitternacht ist in Russland anscheinend nicht ungewöhnlich.
Wir wohnen im Süden, ca. 60 km ausserhalb der Stadt Moskau. Um nach Moskau zur Arbeit zu gelangen, gibt es diverse Möglichkeiten. Bahn, Bus, Taxi oder Privatwagen.
Die Bahn ist das preiswerteste Verkehrsmittel. Die Züge sind jedoch regelmässig überfüllt, und nur wer das Ölsardinen Gefühl verinnerlichen möchte, gepaart mit teilweise nicht vorstellbaren Geruchskombinationen, kommt hier auf seine Kosten.
Besonders die meist zu nächtlicher Stunde erfolgende Rückfahrt in die Provinz ist alleinreisenden Damen nicht unbedingt zu empfehlen, macht sich doch bei Teilen der teilweise stark angetrunkenen männlichen Fahrgäste ein gesteigerter Drang zur Anmache bemerkbar.
Um dieses Erlebnis nicht nur aus den Erfahrungen Dritter beurteilen zu können, bin ich einige Male mit der Bahn gefahren. Trotz der preiswerten Möglichkeit in die Stadt zu gelangen, kann ich diese Art der Fortbewegung nicht wirklich empfehlen.
Der Bus (50 Sitzer) ist von der Preisgestaltung etwas teurer, für knapp 1,50 Euro kann man mit diesem Verkehrsmittel in die Metropole gelangen. Jedoch gilt auch hier, allerdings mit Abstrichen gegenüber der Bahn, die Enge und Geruchsvielfalt muss man mögen. Ein weiteres Hindernis ist in diesem Fall, dass der letzte Bus um kurz nach 22 Uhr Moskau verlässt.
Ansonsten jedoch ein relativ sicheres und bequemes Transportmittel, das ziemlich zuverlässig und regelmässig verkehrt.
Dem Bus gleichzusetzen sind die Kleinbusse (Maschrutka), welche sowohl von privaten Betreibern, als auch kommunalen Unternehmen betrieben werden.
Auf Grund der etwas höheren Preise gegenüber der Bahn, sind hier deutlich weniger angetrunkene Fahrgäste anzutreffen. Jedoch verzeichnet dieses Verkehrsmittel die höchste Unfallquote, sind die Fahrer doch oft nicht qualifiziert, übermüdet oder angetrunken. Bauartbedingt gibt es bei einem Unfall meist Tote und Schwerverletzte. Der nicht unerhebliche Verdienst mit diesen Kleinbussen ergibt sich unter anderem aus dem Wegfall jeglicher Vorsorgewartung oder technischer Inspektionen. Bei einem Bericht im russischen Fernsehen meinte der Kommentator nicht zu unrecht, wenn man auf die Nutzung dieser Beförderungsmöglichkeit nicht zwingend angewiesen ist, sollte man es besser bleiben lassen.
Das Taxi ist die teuerste Alternative, zu nächtlicher Zeit jedoch in vielen Fällen die einzige Möglichkeit. Für die 60 km werden bis zu 35 Euro verlangt, auch für die in Moskau zu erzielenden, etwas über dem Landesdurchschnitt liegenden Einkommen bleibt diese Art der Fortbewegung über längere Strecken eher die Ausnahme.
Eine weitere Möglichkeit ist die Mitfahrgelegenheit in Privatwagen. Trampen scheint in der in Europa üblichen Form unbekannt zu sein. Hält man in gewohnter Manier den Daumen raus um die Suche nach einer Mitfahrgelegenheit zu signalisieren, dann halten auch Fahrzeuge an. Dies geschieht meist an Bushaltestellen, genauso gut jedoch auch mitten auf der Autobahn. In der Regel nehmen diese Autos Mitfahrer zum Buspreis mit. Es wird auf jeden Fall ein Obolus erwartet, und auf diese Weise verdienen sich nicht nur die Chauffeure grösserer Limousinen gerne ein Zubrot, sondern so werden die Spritkosten minimiert. Die bei uns bekannten Fahrgemeinschaften werden hier eben mit dem Daumen begründet.
Dieses Angebot hört sich allerdings nur auf den ersten Blick verlockend an. Sehr viele Fahrzeuge sind in einem technischen Zustand, der jedem deutschen TÜV Prüfer den Atem verschlagen würde. Hinzu kommt die Tatsache, dass man in Russland den Führerschein auch in der Baumschule kaufen kann, und die Fahrkünste entsprechend sind. Gepaart mit dem Zustand eines Grossteils des Strassennetzes, wird eine solche Tour sehr schnell zur Schwitzkur.
In vielen Fällen war ich heilfroh das Auto wieder lebend verlassen zu können.
Da ich Moskau regelmässig besuchte, wurde nach ziemlicher kurzer Zeit der Wunsch nach autonomer Fortbewegung zum Vater des Gedankens.
Also erstmal die entsprechende Literatur gewälzt, das Angebot an Gebrauchtfahrzeugen ist durchaus vergleichbar mit dem in deutschen Städten. Die Preisgestaltung wich jedoch erheblich vom Gewohnten ab.
BMW X5, Bj. 2000, 180000 km, 36.000 $
Audi A4, Bj. 98, 165000km, 8.000 $
Mercedes 200, Bj. 2000, 130000 km, 23.000 $
BMW 320, Bj.2001, 140000km, 18.000 $
Diese Liste liesse sich beliebig fortsetzen, die Preise für europäische Gebrauchtfahrzeuge mit heftiger Kilometerleistung befinden sich auf hohem Niveau. Aus unerfindlichen Gründen ist es anscheinend üblich, Fahrzeuge in amerikanischen Dollars und nicht in Rubeln zu handeln. In fast allen Zeitschriften wurden die Autos überwiegend in $ inseriert. Wobei Dollar und Euro fast schon wie die einheimische Währung gehandhabt werden. An fast jeder Ecke kann auch in Fremdwährung gezahlt werden. Versuche in deutschen Geschäften mit ausländischer Währung zu zahlen scheitern wesentlich häufiger.
Einige Autos bewegten sich im Vergleich auf erstaunlich niedrigem Level. Bei Nachfrage ergab sich dann, dass augenblicklich leider keine Papiere zur Verfügung stünden, und diese demnächst nachgeliefert würden.
Bei diesen Fahrzeugen handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Diebesgut, welches nur mit sehr guten Beziehungen zur Strassenpolizei einigermassen gefahrlos gefahren werden kann.
Nach reiflicher Überlegung schied für mich der Kauf eines Gebrauchten aus, da in Russlands Metropolen die Unsitte der Tachomanipulation noch ziemlich verbreitet ist, und die Kilometerleistungen auf dem dortigen Strassennetz für eine erhöhte Abnutzung sprechen.
Also kam mir die Variante in den Sinn, einen Gebrauchten aus Deutschland mitzunehmen, hatte ich doch passenderweise einen 320 CLK vor der Tür stehen, der mir mit deutschen Benzinpreisen auch keine rechte Freude mehr bereitete. Da dieses Fahrzeug trotz knapp 40000 km schon 7 Jahre auf dem Buckel hat, habe ich mich zwangsläufig mit den Besonderheiten der russischen Zollbestimmungen auseinandersetzen dürfen.
Für die Einfuhr von Gebrauchtfahrzeugen gibt es einen Staffeltarif für Kfz mit einem Alter zwischen 3 und 7 Jahren, bezogen auf den Hubraum. Bei älteren Fahrzeugen (7 Jahre und mehr), verlangt der russische Zoll z.B. rund 3 Euro je ccm Hubraum. In meinem Fall hätte also alleine der Zoll mit fast 10.000 Euro zu Buche geschlagen.
Da mir die besonderen Beziehungen mancher Autohändler fehlen, die je Autotransporter nur eines von 8 Fahrzeugen verzollen und trotzdem für alle Kfz eine Einfuhrbescheinigung erhalten, kam diese Variante für mich nicht in Frage.
Blieb nur der Neuwagenkauf.
Da sich die Preisgestaltung ausländischer Neufahrzeuge analog zum Gebrauchtwagenpreis auf hohem Niveau bewegt, habe ich mich allen Unkenrufen zum Trotz, für ein Fahrzeug aus russischer Produktion entschieden. Alle dortigen Bekannten warnten vor dem Ankauf eines Fahrzeuges aus heimischen Fabriken. Diese Fahrzeuge seien angeblich schon im Prospekt mit Mängeln und Rost behaftet, und es käme nicht von ungefähr, dass Jahreswagen, nachdem sie auf dem Reparaturweg von allen Mängeln befreit wurden, deutlich teurer als Neufahrzeuge seien.
Es sollte trotzdem ein Lada Samara werden.
Also wieder ran an die bunten Werbebotschaften aus dem Blätterwald.
Schon bald wurde mir klar, dass viele Autohäuser in Moskau, speziell für russische Fahrzeuge, rein gar nichts mit einem deutschen Autohaus gemein haben.
Die Masse erinnerte eher an eine freischaffende Hinterhofwerkstatt aus den frühen 70 igern, bei einigen war auch der Vergleich mit den durch bunte Fähnchen auf sich aufmerksam machenden Gebrauchtwagenhändlern überwiegend ausländischer Herkunft angebracht, womit ich keine Vorurteile gegen Ausländer anbringen möchte, sondern dies nur zur Verdeutlichung anführe.
Auch hatten die Texte der Werbeanzeigen nichts mit der Realität vor Ort zu tun. Das ausgelobte Modell war schon verkauft, aber ein ähnliches mit etwas anderem Preis wäre verfügbar.
Da ich als Ausländer ohne festen Wohnsitz in Russland sowieso kein Fahrzeug anmelden konnte, war von Beginn an vorgesehen, den Wagen auf meine Freundin zuzulassen.
Eine geplante Null Prozent Finanzierung, konnte also nur von ihr beantragt werden. Für mich besonders beeindruckend war die Tatsache, dass sich die Mitarbeiter diverser Banken direkt vor Ort beim Autohändler in einem Büro versammelt hatten, und die mögliche Kreditierung gemeinsam, jeweils vor den Augen der Konkurrenz als Angebot offerierten. Aus der Werbebotschaft Null Prozent, wurde jedoch nach entsprechender Beratung ganz schnell eine Finanzierung mit Zinssätzen bis 17 %.
Auf Nachfrage ergab sich dann, dass die Banken anscheinend sehr unterschiedliche Beurteilungskriterien für eine Kreditvergabe zu Grunde legen. Bei Nachweis der entsprechenden Sicherheiten, wie z.B. gesicherter Arbeitsplatz, Eigentumswohnung etc., war auch eine Finanzierung zu 12 % möglich.
Nach meinem Dafürhalten immer noch zu teuer, also wieder nichts – und weitersuchen.
Dann stiess ich auf die Werbebotschaft eines Ladahändlers, der bei Kauf eines Fahrzeuges aus einer Special Edition einen Satz Winterreifen mit Spikes als Lockangebot offerierte. Nichts wie hin.
Erstmals wurde mir der Eindruck eines Autohauses vermittelt. Empfang, Service Schalter, Ausstellungsraum samt Verkaufsberatung, und natürlich das in Russland allgegenwärtige Sicherheitspersonal, welches sich auch von Mitarbeitern des Autohauses bei jeder Fahrt aus der Werkstatt auf den Parkplatz vor dem Autohaus den Kofferraum öffnen liess.
Das so genannte Sondermodell war im Rahmen der Aufpreispolitik mit Zusatzoptionen aufgerüstet, die kein Mensch wirklich benötigte. Nach zähen Verhandlungen, bei denen ein Grossteil der Zusatzausstattung dem Rotstift zum Opfer fiel oder durch in meinen Augen sinnvollere Dinge ersetzt wurde, hatte ich dann endlich meinen Samara.
Silbermetallic, schwarzes Leder, elektrische Fensterheber, Klima, Sitzheizung, MP3 CD Player mit Sound Paket, Sommer- und Winterbereifung, sowie der in Russland für die Versicherung erforderlichen Alarmanlage samt dildoartigem Zusatzverschluss für die Lenksäule. Das Alles zu einem Preis um die 7000 Euro.
Ich war zufrieden.
Die Zulassung wurde vom Autohaus vorgenommen, die Haftpflichtversicherung schlug mit gut 150 Euro zu Buche, die Vollkasko ohne Selbstbeteiligung mit 10 % des Fahrzeugwertes. Am übernächsten Tag konnte ich das Fahrzeug abholen. Natürlich wurde von den Leuten in Schwarz vor Verlassen des Geländes die Motor-/ Fahrgestellnummer überprüft und der Kofferraum inspiziert.
Als nächstes stand die auch für Neufahrzeuge erforderliche TÜV Prüfung an. Die einfachste Methode ist, man liefert über einen Bekannten ca. 300 Euro ab, und erhält die Bestätigung samt Plakette, ohne dass ein Mitarbeiter der Prüforganisation das Fahrzeug je zu Gesicht bekommen hat.
Ich entschied mich für die reguläre Abnahme. Also ab zur GAI, der für Fahrzeuge und Strassenverkehr zuständigen Milizabteilung. Zuerst ist die Prüfgebühr von ca. 35 Euro zu entrichten.
Bevor nun das Fahrzeug inspiziert wird, ist unter Anderem durch den Fahrzeughalter ein ärztliches Attest vorzulegen, dem entnommen werden kann, dass man gesundheitlich in der Lage ist ein Fahrzeug zu führen.
Dieses Attest darf nicht älter als drei Jahre sein. Zum Gesundheitscheck gehört neben dem auch in Deutschland üblichen Sehtest, z.B. eine Röntgenuntersuchung, sowie eine ärztliche Bestätigung bisher nicht in einer Anstalt für psychisch Kranke gewesen zu sein, und weder Drogen- noch Alkoholabhängig zu sein.
Auf meine Frage, welchen Sinn dieses Attest im Zusammenhang mit einer technischen Überprüfung mache, wurde mir erklärt, dass Präsident Putin dies so angeordnet habe. Basta.
Vor dem Befahren der Prüfhalle, mussten die Reifen mittels Dampfstrahler gereinigt werden, wobei die Bremsen entsprechend gewässert wurden. Die ganze Prozedur natürlich kostenpflichtig – für drei Euro.
Ein Auto vor mir wurde ebenfalls ein Neufahrzeug getestet, bei dem wohl wegen des in der Bremsanlage befindlichen Wassers eine unterschiedlich ziehende Bremse diagnostiziert wurde. Der „Schaden“ wurde im benachbarten Autohaus sofort gegen Kostenerstattung behoben.
Aus Erfahrung klug, habe ich den Weg von der Waschhalle zur Prüfstrasse mit getretener Bremse und angezogener Handbremse zurückgelegt, was zum Erstaunen des Prüfers zu einem vernünftigen Bremstestergebnis führte.
Endlich hatte ich die begehrte, 2 Jahre gültige Bescheinigung bis Dezember 2007 in Händen.
Nun ist es nicht so, dass ich mich als Ausländer einfach in ein in Russland zugelassenes Auto setzen kann um damit die Strassen unsicher zu machen. Als Fahrer benötige ich ein, auch über das Internet herunterzuladendes Formblatt, in dem mir der Fahrzeughalter gestattet, dieses Fahrzeug zu führen. Dieses Dokument ist bei jeder Kontrolle vorzuzeigen.
Stichwort Kontrolle. Im russischen Strassenverkehr ist kein internationaler Führerschein erforderlich. Aber selbst wenn man einen solchen besitzt, kann der normale Milizionär weder den regulären nationalen (deutschen), noch den internationalen Führerschein entziffern, da im deutschen keine kyrillischen Zeichensätze vorhanden sind, und beim internationalen Führerschein meistens vor Erreichen der kyrillischen Seite aufgegeben wird.
Um langwierigen Verhandlungen aus dem Weg zu gehen, habe ich mir eine Führerscheinkopie übersetzen, und diese von einem Notar bestätigen lassen.
Nun konnte endlich der Fahrspass kommen – aber halt, der Lada gehört zu den Fahrzeugen, die an der Spitze der Statistik über gestohlene Fahrzeuge stehen, handelt es sich doch um ein heimisches Produkt, welches in Einzelteilen auf dem russischen Markt schnell seine Abnehmer findet.
Also einen bewachten Parkplatz in der Nähe der Behausung gesucht. Nur mit einem kleinen Obolus und den entsprechenden Beziehungen war auch dieses Problem zu lösen. Die Unhöflichkeit vieler Russen und das absolute Desinteresse an der Person eines vermeintlichen Bittstellers kehren sich schlagartig ins Gegenteil um, wenn nur die richtige Person einen Anruf ausführt.
War es bei der normalen Anfrage am Schalterhäuschen überhaupt nicht möglich einen Platz zu bekommen, und einem ein weiterer Nachfrageversuch nach zwei Wochen offeriert wurde, gab es zwei Tage später nach besagtem Telefonat nur freundliche Gesichter, langatmige Entschuldigungen und natürlich einen bevorzugten Platz.
Nun konnte es endlich losgehen, den mörderischen Verkehr der russischen Metropole am eigenen Leibe zu erfahren.
Bin gespannt, wann ich freiwillig wieder auf Bus und Bahn umsteige.
Mich beeindruckten in Moskau neben den Bauten unter anderem auch die gewaltig breiten Strassen, teilweise 5 spurig in jede Fahrtrichtung. Dementsprechend ist bei einer Bevölkerung von über 10 Millionen natürlich der Verkehr. Wenn dann noch versucht wird auf 5 Spuren 7 spurig zu fahren, wird es halt ein wenig eng, aber es gibt ja noch Bürgersteige, die im Zweifel als Fahrspur herhalten können.
In Moskau und Umgebung fiel mir der besondere Fahrstil russischer Autofahrer auf. Recht hat der Fahrer mit dem stärkeren Auto, scheint die Devise des Handelns zu sein, und Fussgänger werden nicht als Verkehrsteilnehmer betrachtet. Die Lichthupe ist ein häufig eingesetztes Instrument, um Platz zu schaffen wird gnadenlos gedrängelt und zur Demonstration der eigenen Überlegenheit anschliessend die Bremse genutzt. Dieses spätpubertäre Verhalten scheint die Russen grundsätzlich zu überkommen, wenn 6 oder mehr Zylinder zur Verfügung stehen. Kein Hirn im Kopf und Penis zu kurz, aber wir haben ja noch das Gaspedal. Hier trifft der Satz vom Pedal als Penisersatz tatsächlich noch zu.
Auch in Russland gibt es ja so etwas wie eine Strassenverkehrsordnung. Diese gibt für geschlossene Ortschaften z.B. eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h vor. In Moskau scheint dies noch nicht einmal ein Richtwert zu sein.
Entweder geht auf Grund der Verkehrsdichte gar nichts, dann braucht man für jeden Kilometer eine gute Stunde, oder es wird jeder Zentimeter freier Raum gnadenlos genutzt. In diesem Fall fahren sie mit bis zu 150 km/h wie eine Walzermaschine durch die Spuren. Sollte das nicht möglich sein, wird auch mal kurz die Gegenfahrbahn hergenommen, was beim Gegenverkehr nur zu kurzfristigen Bremsmanövern führt.
Im Strassenverkehr in und um Moskau hatte ich oft das Gefühl gerade eine Autoverfolgung für einen Hollywoodfilm live zu erleben, ohne jedoch das Drehbuch zu kennen oder irgendwo Stuntmen zu sehen.
Auch als schnell anpassungsfähiger Autofahrer, bekomme ich jedes Mal ein heftiges Liderzucken, wenn ich gemütlich mit 80 - 90 km/h die mittlere Spur nutzend, mal wieder mit gut 50 km/h Geschwindigkeitsdifferenz geschnitten und anschliessend ausgebremst werde, weil die nächste Ampel rot zeigt.
Auch die Ampeln halten nicht, was sie in Deutschland versprechen. Sofern das Rotlicht beachtet wird, kriecht vor dem Signalwechsel jeder in die Querspur, um auch wirklich die Pooleposition beim Grün zu haben. Sehr oft treffen sich dann die Fahrzeuge zur Kaltverschweissung, wenn Tieforange und nur zu erahnendes Grün aufeinander treffen.
Ein weiteres Phänomen ist die Abwicklung von Bagatelleschäden. Selbst beim kleinsten Kratzer bleiben die Fahrzeuge unverrückbar am Unfallort stehen, auch wenn dadurch drei oder vier Spuren in einem Kreuzungsbereich blockiert werden. Bevor der Versicherungsvertreter oder die Verkehrspolizei (GDS/GAI) nicht eindeutig die Schuldfrage geklärt haben, rührt sich nichts.
Gleiches gilt auch für das Einfahren in Kreuzungsbereiche, wenn die Weiterfahrt erkennbar nicht möglich ist. Selbstverständlich ist dies dem russischen Regelwerk entsprechend nicht zulässig, aber man könnte ja einen Meter verschenken, also wird gnadenlos die Kreuzung blockiert. Auf keinen Fall dem Querverkehr die Möglichkeit zur Weiterfahrt einräumen, man könnte ja irgendwann selber am Fortkommen gehindert werden.
Viele der Verkehrsprobleme in Moskau scheinen mir aus Regelmissachtung und grenzenlosem Egoismus zu entstehen.
Um mich mit den russischen Verkehrsverhältnissen etwas vertrauter zu machen, habe ich mir mal eine russische CD mit Führerscheinprüfungsfragen zugelegt.
Ganz abgesehen davon, dass sich kaum ein Russe an die vorgegebenen Regeln hält, und diese in weiten Teilen mit bekannten Regelwerken Europas übereinstimmen, sind sie in Teilbereichen wiederum für einen Mitteleuropäer nicht zu ergründen.
Warum die Strassenbahn z.B. bei abknickender Vorfahrt aus der Nebenstrasse kommend nicht wartepflichtig ist wenn Sie von links kommt, unter anderen Vorzeichen aber von rechts kommend warten muss, erschliesst sich mir einfach nicht.
Ganz besonders hat mich fasziniert, dass die Fahrschulausbildung auf Autobahnen und zu Nachtzeiten in Russland nicht zulässig ist.
Dementsprechend ist besonders das nächtliche Fahrverhalten auf der Autobahn.
Da der Russe auch bei dreispuriger Autobahn grundsätzlich den linken Fahrstreifen nutzt, was ja auch auf deutschen Autobahnen ein häufig zu beobachtendes Übel ist, wird eben rechts überholt. Sollte sich hier zufälligerweise doch mal ein Kfz auf der mittleren Spur bewegen, wird eben ganz rechts überholt. Im Zweifel tut es auch der Standstreifen, welcher in Russland als normale Fahrspur genutzt wird.
Nur wenn die Kontrollhäuschen der Verkehrspolizei (DPS/GAI) in Sicht kommen, erinnern sich fast alle wieder an gewisse Regeln.
Überhaupt die Kontrolldichte im russischen Strassenverkehr. Auf knapp 100 Kilometern kann es einem gut vier bis fünfmal geschehen, durch einen freundlichen Beamten kontrolliert zu werden. An allen Ecken und Kanten stehen die Jungs in ihren mit Leuchtbalken markierten Uniformen und winken wahllos raus. An den Kontrollpunkten sind, nicht nur auf der Autobahn, feste Gebäude vorhanden. Die Strasse wird künstlich verengt, teilweise auf eine Fahrspur, und das Geschwindigkeitslimit stellenweise auf bis zu 5 km/h reduziert.
Ganz besonders die Hinweise auf Spurverengung und Tempolimit sind manchmal sehr abenteuerlich und höchstens im Abstand von 50 Metern vor dem Kontrollpunkt angebracht, wodurch dann auf der Autobahn recht abenteuerliche Fahrmanöver stattfinden.
Anzumerken ist, dass es einem zu nächtlicher Stunde ausserhalb von Ortschaften gestattet ist, speziell auf Landstrassen, aber auch auf Autobahnen wenn kein Kontrollhäuschen in der Nähe ist, auf den freundlichen Hinweis nicht zu reagieren und weiterzufahren.
Der Ehrlichkeit halber muss ich jedoch gestehen dies bisher nicht riskiert zu haben, man weiss ja nie was denen dann einfällt. Bislang habe ich auch nachts schön brav angehalten.
In diesem Zusammenhang wundert es mich immer wieder, wie es unglaublichen Heerscharen von russischen Fahrzeugen gelingt diesen Kontrollpunkten auch zu nachtschlafender Zeit, mit maximal einer funktionierenden Lampe am Fahrzeug, konsequent auszuweichen und nicht erwischt zu werden.
Ein besonders beachtenswertes Beispiel für Sicherheit im russischen Strassenverkehr war ein Pkw mit Anhänger, am Hänger ein handbemaltes Schild von einem Quadratmeter Grösse – Bremsen funktionieren nicht.
Wie überall auf der Welt, sind auch in Russland die Gehälter der Polizei nicht gerade berauschend. Daher haben die Herren dieser Organisation Systeme ersonnen, das schmale Gehalt anderweitig ein wenig aufzubessern.
Speziell in Moskau stehen GAI Fahrzeuge an vielen Kreuzungen, und als Autofahrer bräuchte man einen Medusenkopf um neben den Fahrzeugen, Fussgängern, Ampeln, Hinweisschildern auch diese Jungs jederzeit im Blick zu haben. Bewusst oder versehentlich, kann man hier sehr schnell mal falsch abbiegen oder eine durchgezogene Linie überfahren. Ehe man sich versieht, wird man herausgewunken und die weltweit gleiche Zeremonie beginnt. Vorschriftsmässiger Gruss und die Frage nach den Dokumenten. Dann erfolgt die Erklärung des tatsächlichen oder angeblichen Verkehrsverstosses. Da ich kein russisch spreche und meine Beifahrer immer auffordere zu schweigen, kommt eine wirkliche Verständigung mit dem Polizisten in den seltensten Fällen zustande. Spätestens nach einer halben Stunde erkennt auch der letzte Ordnungshüter, dass er in der Zeit fruchtloser Diskussionen mit mir, einige andere, sprachkundigere Verkehrssünder um ihr Geld hätte erleichtern können.
Etwas anders sieht es aus, wenn man unter Zeitdruck steht weil z.B. ein Flugzeug oder ein bestimmter Ort zu feststehender Zeit erreicht werden muss. In diesen Fällen reichen meine Sprachkenntnisse, bzw. ein Mitfahrer übernimmt die Verhandlung. Irgendwie können die Uniformierten aber riechen was hier gespielt wird. Es beginnt nämlich der langwierige Prozess der Protokollerstellung, und nur durch quittungslose Barzahlung kann dieser Ablauf gestoppt werden. Besonders Ausländer unterliegen dann natürlich erhöhten Gebührensätzen, und ein verbotenes Abbiegemanöver kann in diesem Fall schon mal mit 500 oder gar 1000 Rubel geahndet werden. Legt man das reguläre Gehalt eines Polizisten zu Grunde, dann reicht ein ausländischer Verkehrssünder pro Tag um das Einkommen zu vervielfachen.
In Russland ist Alkohol am Steuer übrigens kein Kavaliersdelikt, zumindest von den Buchstaben des Gesetzes her sind die Massstäbe strenger als in Deutschland. Dafür sind die Hürden beim Führerscheinerwerb sehr niedrig.
Meine Freundin hatte seit gut einem Jahr einen russischen Führerschein, und ich wunderte mich permanent, warum sie partout nicht ans Steuer wollte.
Unter Hinweis auf mangelnde Fahrpraxis lehnte sie derartige Angebote immer ab, bis ich sie eines Tages doch überreden konnte.
Zum Glück machten wir diese Fahrversuche auf einem Verkehrsübungsplatz, denn mir wurde sehr schnell klar, dass es nicht unbedingt mangelnde Fahrpraxis nach einer umfassenden Ausbildung war, sondern schlichtweg die absolute Ahnungslosigkeit bezüglich Strassenverkehr und Auto.
Nun interessierte mich natürlich schon, auf welche Weise man denn in Russland die Fahrerlaubnis erhält. Der Vorgang läuft am Anfang ähnlich wie in Deutschland, man meldet sich bei einer Fahrschule an und besucht die Theoriestunden. Mit einem Fahrlehrer werden praktische Übungen absolviert. Irgendwann erfolgt die Anmeldung zur Prüfung. Soweit war für mich alles nachvollziehbar, doch bei den Inhalten gab es erhebliche Abweichungen.
Die knapp 10 Fahrstunden wurden nur am Tage, hauptsächlich auf dem Verkehrsübungsplatz und in wenig befahrenen Wohngegenden der Stadt absolviert, dann erfolgte auch schon die Prüfungsanmeldung. Ein guter Bekannter, in dieser Stadt wohl eine einflussreiche Persönlichkeit, tätigte einen Anruf. Daraufhin wurde nach dem Ankreuzen der Prüfungsfragen auch schon der Führerschein übergeben. Keine Auswertung, keine Fahrprüfung, einfach so. Mittlerweile kann mich so eine Schilderung aber auch nicht mehr erschüttern, und gut 50000 Verkehrstote pro Jahr müssen ja irgendwie begründet sein.
Wodka ist in Russland übrigens nicht nur zum Trinken da. Die sowohl an Tankstellen als auch am Strassenrand verkauften Kanister mit Frostschutzmittel für die Scheibenwaschanlage, sind meist genauso bunt wie der Inhalt, und laut Aufdruck frostsicher bis -30 Grad. Seltsamerweise hat man schon bei Aussentemperaturen von 15 bis 20 Grad eine eingefrorene Waschanlage.
In diesen Fällen wird eben mal kurz Wodka nachgefüllt, und siehe da, dann klappt es auch mit dem Fenster waschen. Berücksichtigt man die Preise für den billigsten Fusel, dann ist dies eine preiswerte Alternative zu den nicht gerade günstigen Frostschutzmitteln. Da dieser Fusel anscheinend aus medizinischem Alkohol hergestellt wird, hatte ich zur Winterzeit nach Reinigung der Frontscheibe geruchsmässig immer den Eindruck im Krankenhaus zu sein.
Auch kommt im russischen Strassenverkehr zur Winterzeit die Lötlampe verstärkt zum Einsatz. Auf den Autobahnen wird der Randstreifen verstärkt zum Parkplatz für Lkw, und es sieht sehr abenteuerlich aus, wenn mit offener Flamme mal eben der gesamte Tank samt Spritleitungen aufgetaut wird. Ähnliche Verfahrensweisen kenne ich bisher nur durch die Lektüre von Kriegsromanen, auch die Grossdeutsche Wehrmacht scheint nach dieser Methode den Fuhrpark im russischen Winter wieder flott gemacht zu haben.
Der Fahrzeugbetrieb im Winter wich auch ein wenig von dem mir Bekannten ab. Vor Antritt der Fahrt lässt man die Autos grundsätzlich im Stand warmlaufen, und erst nachdem die Scheiben freigetaut sind und der Innenraum eine annehmbare Temperatur aufweist geht es los. Bei Minusgraden von 40 Grad und darunter, wird der Motor gar nicht mehr abgestellt. Die Kfz parken dann mit laufender Maschine, in einigen Fällen liefen die Motoren auch in der Nacht.
Ganz besonders hat mich fasziniert, wie die Moskauer das Problem Schnee bewältigen. Da Moskau zur Winterzeit ein wenig mehr davon abbekommt als beispielsweise Johannesburg in Südafrika, erwartete ich nach den ersten, heftigen Schneefällen, die ich in Russland erlebte, das totale Chaos.
Aus deutschen Nachrichtensendungen ist man es mittlerweile ja gewohnt, dass bei den ersten Anzeichen von Schnee sich die Berichterstattung gerne dieses Themas annimmt und vom “Schneechaos“ spricht. Um diesen Begriff in Deutschland zu verwenden reichen schon mal 10 cm Neuschnee.
Etwas anders sieht es im Grossraum Moskau aus, und ich vermute in anderen Regionen des Landes wird es ähnlich gehandhabt. Keine Spur von Chaos, und auch die erwartete Berichterstattung blieb aus.
Natürlich gab es auch hier die üblichen Blechschäden, blockierende und umgekippte Lkw auf den Autobahnen, sowie einen etwas verlangsamten Verkehrsablauf. Insgesamt aber kaum Staus oder Behinderungen. Der Schnee wurde wie gewohnt erst mal zur Seite geschoben, dann jedoch wurde es für mich interessant. Selbstfahrende Förderbänder und eine unübersehbare Flotte von Lkw kamen zum Einsatz.
Am unteren Ende dieser Förderbänder war eine Art Kehrschaufel und ähnlich wie bei einem Flipperautomaten, zwei gegliederte bewegliche Arme, mit denen der Schnee auf das Band geschaufelt wurde. Das Förderband bewegte sich langsam fahrend vorwärts, ein Lkw folgte rückwärts, zwei mit Schaufeln bewaffnete Männer schippten den seitlich liegenden Schnee aufs Band. Sobald die Ladefläche voll war, erfolgte ein fliegender Wechsel der Lkw und es konnte zügig weiter gehen. Binnen kürzester Zeit waren die Strassen der Moskauer Innenstadt von der weissen Pracht befreit.
Dafür kann man zur Winterzeit auf der Autobahn mit Skifahrern konfrontiert werden, auch Pferdeschlitten sind selbst in Moskau noch zu sehen und besonders nachts und unbeleuchtet eine echte Bereicherung des Verkehrsgeschehens. Ebenso verhält es sich mit Motorschlitten. Diese Gefährte werden als winterlicher Motorradersatz gerne zur Körperertüchtigung genutzt, und so wie es einem hierzulande im Frühjahr mit ganzen Horden von Motorradfahrern ergeht (gegen die ich immer nur dann etwas habe wenn ich nicht selber mit dem Motorrad unterwegs bin), hat man in Russland mit Schneemobilen zu kämpfen. Da diese Gefährte nicht auf befestigte Strassen angewiesen sind, werden auch die Regeln nicht benötigt. Sollte sich zwischen zwei Geländeabschnitten zufällig eine Autobahn befinden wird diese eben kurz überquert, die Autofahrer werden schon aufpassen.
Nachdem die Hochzeit samt Folgeerscheinungen der Vergangenheit angehörte, kehrte der Alltag wieder ein. Nun galt es, den Behörden gerecht zu werden.
Da Yuliya sich für meinen Nachnamen entschieden hatte, musste also erst einmal ein neuer Inlandspass für sie besorgt werden. Dieses dem deutschen Personalausweis vergleichbare Dokument wird von einer besonderen, städtischen Behörde ausgegeben.
Durch den Zeitaufwand bei den Hochzeitsvorbereitungen, hatte Yuliya es versäumt, die für die Wohnung fälligen Nebenkosten wie Wasser, Müllabfuhr und Gas zu bezahlen. Bei der Beantragung des neuen Passes kam es nun zu einer netten Verkettung von Umständen.
Leider können wir keinen neuen Pass ausstellen, da bei der Gemeinde noch Zahlungen offen sind. Mit dieser lapidaren Erklärung wurden wir wieder nach Hause geschickt. Mich erinnerte dieses Verfahren ein wenig an die Geschichte des Hauptmanns von Köpenick, dem es ja auch nur unter sehr seltsamen Begleitumständen gelang, an einen neuen Pass zu gelangen.
Natürlich war dieses Problem relativ schnell zu beheben, aber mich verwunderte es schon ein wenig, mit welcher Argumentation hier Zahlungen quasi erzwungen wurden. In Deutschland scheint es mir nicht möglich, dass ein Vertreter des Einwohnermeldeamtes bei Beantragung eines Ausweises diesen verweigert, weil öffentliche Abgaben z.B. an die Stadtwerke noch nicht entrichtet wurden, oder bin ich zu blauäugig und wurde bisher nur vor solchen Vorgängen bewahrt?
Auch unsere Heiratsurkunde bedurfte einer Übersetzung samt notarieller Bestätigung und der unvermeidbaren Apostille. Hier kam eine weitere Hürde aus dem Bürokratenparcours auf uns zu.
Um die Übersetzung in andere Sprachen zu standardisieren, hat man sich anscheinend auf eine internationale Norm geeinigt. Diese nun gibt vor, wie z.B. ein Name vom deutschen ins russische zu übersetzen ist. In unserem Fall war hiervon ein e in meinem Nachnamen betroffen, welches plötzlich im russischen nicht mehr vorhanden war.
Dies war mir schon bei der Visaerteilung aufgefallen, schien mir aber nicht besonders relevant, da mein Name im Visum neben der kyrillischen Schreibweise auch noch in lateinischen Buchstaben ausgeschrieben war, und hier korrekt mit dem im kyrillischen verschwundenen e.
Welch seltsame Fügung jedoch, bei der durch einen anderen Schriftgelehrten vorgenommenen Rückübersetzung ins deutsche, war von diesem e weit und breit nichts zu sehen. Nun hatten wir plötzlich verschiedene Nachnamen, und ich malte mir in den kräftigsten Farben aus, wie dies der deutschen Beamtenschaft verständlich zu erklären sei. Bei diesen Gedankenspielen überkam mich das kalte Grausen, lässt doch in bürokratisch stark reglementierten Staaten das amtliche Regelwerk den gesunden Menschenverstand nicht mehr zu.
Also ein weiterer Gang zum Übersetzungsbüro und unter Hinweis auf meinen Reisepass, der natürlich in Kopie beigefügt war, eine nochmalige, selbstverständlich wieder kostenpflichtige, diesmal jedoch korrekte Ausführung geordert.
Nun war der erste Schritt für die deutschen Behörden getan. Der neue Inlandspass für Yuliya war in Arbeit. Es folgte ein Besuch auf den Seiten des Auswärtigen Amtes um in Erfahrung zu bringen, was denn an Unterlagen für ein Visum zum Ehegattennachzug beizubringen sei.
Nachdem ich die entsprechen Hinweisblätter ausgedruckt hatte, fiel mir eine Ungereimtheit bezüglich unserer Heiratsurkunde auf.
Diese hatten wir einem russischen Übersetzungsbüro anvertraut und um die benötigte Apostille gebeten.
In diesem Büro wurde auch schön übersetzt, die deutsche Version samt Kopie des Originals dem Notar zur Beglaubigung weitergereicht, von diesem unterschrieben und gestempelt, um dann im Anschluss mit einer Apostille versehen zu werden.
Für mich zunächst ein ordnungsgemässer Vorgang. Doch weit gefehlt. Diese Apostille beglaubigt nach Auskunft der Botschaft nur die Unterschrift des Notars, jedoch nicht die Urkunde an sich.
Für mich ist es jedes Mal aufs Neue erstaunlich, welche Gebirge an Schwierigkeiten durch Bürokratie aufgetürmt werden können.
Vielleicht gelingt es ja wirklich mal jemandem, eine für Otto Normalverbraucher verständliche, nachvollziehbare und leicht umzusetzende Gebrauchsanleitung zu entwickeln, mit der dann auch dem einfältigsten Bürger wie mir zum Beispiel die Möglichkeit gegeben wird die Forderungen unserer Fachbeamten zügig zu erfüllen.
Ein Tipp wäre eventuell der Hinweis auf amerikanische Militärbedienungsanleitungen. Ich kann mich an eine im Stil eines Comics aufgemachte Anleitung zur Befestigung von Bauteilen der US Air Force erinnern, bei der exakt beschrieben wurde wie ein Schraubendreher anzusetzen ist, in welche Richtung zur Befestigung bzw. zum Lösen gedreht werden muss, und in welcher auch der Hinweis nicht fehlte, dass mit dem Drehen aufzuhören sei, wenn dies nur noch mit erheblichem Kraftaufwand möglich wäre.
Vielleicht klappt es dann ja auch mit den Behördenbittstellern.
Eine weitere Möglichkeit wäre natürlich, sich vorher im IF Board genügend Informationen zu holen um diese Klippen zu umschiffen, aber bei der in diesem Board erkennbaren Meinungsvielfalt ist dies auch nicht unbedingt eine sichere Methode.