Elena & Jens-Uwe:
"Ein Märchen, das Wirklichkeit wurde!"
Der 17. April 2003 war ein sonniger Frühjahrstag, der mein Leben völlig verändern sollte. Schien tatsächlich die Sonne an diesem Tag oder strahlte das Licht und die Wärme aus seinem Brief?
Ich war damals 25 Jahre alt und die Wunden nach der herben Enttäuschung und Trennung von meinem ersten Mann waren noch nicht vernarbt...
Nun gab es im Pass den Eintrag „geschieden" und in der Seele die heimliche Angst, für den Rest meines Lebens allein zu bleiben. Zum Anderen verfügte ich über ein sehr attraktives Äusseres und konnte mich schick und extravagant kleiden. Ich liebte meine Arbeit in einer angesehenen Firma und besass einen starken Charakter. Hinzu kam noch eine gehörige Portion Abenteuerlust. Hauptsache nicht vor der Welt zurückziehen, sagte ich mir. Ich wollte mich nicht mit 25 Jahren jammernd wegen dieses Schicksalsschlages und der niederträchtigen Männer lebendig begraben. Im Gegenteil. Ich beschloss bei den ausländischen „Prinzen" mein Glück zu suchen. Hierfür hatte ich ja auch zwei wesentliche Vorteile – perfekte Deutschkenntnisse und einen Internetzugang im Büro. Gesagt – getan. Mit Hilfe der Kontaktbörse „Interfriendship" fanden schon zwei Frauen aus meinem Bekanntenkreis das Familienglück in Deutschland. Also schickte auch ich meine Daten nach „Interfriendship".
Nun wartete ich, ob Amors Pfeile auch das weite Deutschland erreichen. Etwa zwei Wochen später erhielt ich von sechs Anwärtern für mein „Herz" und meine „Hand" die ersten Mails. Ob Amor sich beim Schiessen nicht besonders viel Mühe gab oder die Bogensehne nicht stark genug spannte, jedenfalls zielte er nicht besonders genau und die getroffenen „Märchenprinzen" waren jenseits meiner Vorstellung über den gesuchten Lebenspartner.
Jens-Uwe antwortete mir als siebenter Vertreter aus dem Stamm der Arier. Sein Brief faszinierte mich von der ersten Zeile an. Mir fiel sofort sein einwandfreier Schreibstil und die Art und Weise auf, wie er seine Gedanken logisch, bildhaft und interessant zum Ausdruck bringen konnte. Ich habe intuitiv gespürt, das ist der „Richtige". Ich sah hinter den Zeilen dieses Briefes einen klugen, intelligenten Menschen und einen charmanten und romantischen Mann. Noch am selben Tage habe ich zurückgeschrieben und so begann unsere virtuelle Bekanntschaft. Ich habe niemals gedacht, dass mailen so viel Freude und positive Emotionen bringen könnte. Jeder Arbeitstag fing mit seinen Mails an. Seine Briefe wurden zu einem unentbehrlichen Teil meines Lebens.
Aber bald wollte ich mehr. Seine Stimme hören. Etwa anderthalb Monate später nahm ich all meinen Mut zusammen und wählte seine Nummer. Mich packte eine tierische Angst, meine Hände zitterten als wäre ich im Staatsexamen. Am anderen Ende der Leitung meldete sich seine Grossmutter, die zu dieser Zeit gerade bei ihm zu Besuch war. Mir gelang es nicht mit meinem virtuellen Bekannten zu sprechen. Vor lauter Aufregung vergass ich noch mich vorzustellen und eine Nachricht für ihn zu hinterlassen. Um so grösser war meine Freude und Verwunderung eine Stunde später, als ich ein Auslandsgespräch bekam. Mein Herz blieb beinahe stehen, als ich im Hörer eine angenehme männliche Stimme hörte. Er sprach hochdeutsch. Wir unterhielten uns eine Stunde und ich hatte den Eindruck, dass ich diesen Mann schon sehr sehr lange kenne. Ich glaube, dass ich dieses Gefühl unseren Briefen verdanke. Im Brief öffnet sich der Mensch oft tiefer als im persönlichen Gespräch.
Seit diesem Tage wurden seine Anrufe regelmässig. Mit deutscher Pünktlichkeit und Pedanterie rief er mich zweimal die Woche an – Dienstags und Sonntags. Das war eine Art des Stelldicheins, die uns trotz der 3.500 km Entfernung für ein paar Stunden näher brachte. Ich verliebte mich in diese angenehme, vertrauenerweckende Stimme und in die romantischen Briefe von meinem Jensi. Dann habe ich Jens-Uwe zu mir eingeladen. Er war bereit, diese Reise in das Land der "weissen Bären" und verbannten Dekabristen zu unternehmen. Ich fand seinen Entschluss sehr tapfer. Nur mit den wenigen Russischkenntnissen riskierte er so eine weite Reise. Nicht nur nach Russland, dessen Erwähnung den deutschen Bürgern Misstrauen und manchen sogar Furcht und Hass einflösst, sondern in das weite, kalte den Deutschen unbekannte Sibirien.
15. August 2003, 06.15 Uhr. Mit grosser Ungeduld und Aufregung warte ich am Bahnsteig auf den Zug Moskau-Tjumen. Angst keimt in mir auf. Jeder von uns hat eine bestimmte Vorstellung vom Anderen geformt und jetzt könnten wir enttäuscht werden. Ehrlich gesagt, ich habe mir ihn anhand der Bilder etwas anders vorgestellt. Wie sich später heraus stellte, er mich auch. Aber nach ein paar Stunden war die erste Verlegenheit überwunden und etwaige Hemmungen wurden abgelegt. Jetzt hatten wir endlich unbegrenzte Zeit für ein Gespräch.
Die zehn Tage seines Besuches vergingen sehr schnell. Spaziergänge in meiner Heimatstadt Tjumen, Schaschlikessen auf der Datscha meiner Freundin, eine Busfahrt nach Tobolsk, ein Diskobesuch in der „Pyramide" und die Hochzeitfeier meines Freundes Wanja. Jeder Tag war streng geplant. Und nun stehen wir wieder auf dem Bahnhof. Es ist die Zeit gekommen von einander Abschied zu nehmen. Er ist abgereist. Aber schon nach dreieinhalb Monaten im Dezember 2003 holt mich Jens-Uwe vom riesigen Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt ab.
Dieser Monat, den ich bei ihm verbracht habe, war für mich wie ein wunderbares Weihnachtsmärchen. Während meiner Studienzeit war ich schon einmal in Deutschland. Damals hat mich dieses Land nicht besonders stark beeindruckt. Aber diesmal war alles anders, alles erschien mir dank meines Prinzen zauber- und märchenhaft. Jens-Uwe verkörperte alle Eigenschaften, die nach meiner festen Überzeugung der „Richtige" haben müsste. Intelligenz, nettes Äusseres, Gutherzigkeit, Zuverlässigkeit, Humor, dazu noch Nichtraucher und Nichttrinker. Früher hatte ich gedacht, solche Männer gibt es nur in meinen Träumen.
Einen Monat fühlte ich mich durch ihn wie in einem Märchen. Wir sind kreuz und quer durch Deutschland gereist, haben drei Tage in Paris, der Stadt der Liebe verbracht und eine ganze Menge unvergesslicher Eindrücke gesammelt. Aber alles hat ein Ende. Auch Märchen sind davon nicht ausgenommen. So kam wieder die Zeit Abschied voneinander zu nehmen. Ich hatte mich während dieses Monats in Jens-Uwe verknallt. Aber der Prinz liess sich Zeit und beeilte sich nicht mit einem Heiratsantrag. Dafür lud er mich nach vier Monaten wieder ein. Er fehlte mir sehr stark während dieser Trennung. Mein Leben war seit unserem Abschied im Flughafen aus den Fugen geraten. Nur in seiner Nähe führte ich ein völlig normales Leben. Die Zeit ohne ihn war nur nackte Existenz. Ich ging zur Arbeit, traf mich mit meinen Freunden, stellte mir konkrete Ziele und erreichte diese auch, aber das Innere meiner Seele blieb in dem kleinen gemütlichen Häuschen im weiten Bad Vilbel.
Endlich vergingen diese langen vier Monate der Einsamkeit und des Wartens. Die Sonne liebkoste die in Frankfurt landende Maschine, mein Herz raste vor Aufregung und Freude auf unser neues Treffen mit der Möglichkeit, mich wieder lebendig, geliebt und begehrt spüren zu können. Alles wäre diesmal auch sehr schön geworden. Die warme Sonne von Mallorca und die Sandstrände am Mittelmeer, der Besuch meiner Freunde bei Jens-Uwe und unsere gemeinsamen Ausflüge, wenn nicht dieses „Aber" wäre. Wir beide verstanden, jede Beziehung muss sich weiter entwickeln oder sie endet in einer Sackgasse. Er war schon 36 Jahre alt und ich war 26. Uns trennten Tausende von Kilometern und mehrere Staatsgrenzen. Uns beiden war klar, wir mussten eine Entscheidung treffen, ein Risiko eingehen und heiraten. Dies war für mich die einzige Alternative bei Jens-Uwe in Deutschland zu bleiben. Wir mussten versuchen unsere gemeinsame Zukunft zu meistern oder uns endgültig für immer zu trennen.
In diesen anderthalb Jahren unserer Bekanntschaft hat Jens-Uwe mich erobert und mein Herz gewonnen. Vielleicht glauben nicht alle an die Aufrichtigkeit meiner Gefühle, weil wir nur ein paar Monate mit einander verbracht haben und die meiste Zeit nur per Internet und Telefon Kontakt gepflegt haben. Aber ich war mir meinen Gefühlen sicher – ich war bereit alles in meiner Heimat Russland aufzugeben um bei meinem geliebten Mann zu sein. Ich spürte auch seine tiefe Sympathie zu mir. Aber er zögerte. Ich kann natürlich seine Zweifel durchaus verstehen. Für viele Europäer sind die russischen Frauen so etwas wie hungrige Haifische, die ständig auf der Jagd nach den wohlhabenden ausländischen Männern sind, um aus dem „grauen und armen Russland" fliehen zu können. Dazu kommt noch, dass die Deutschen ein sehr reserviertes Volk mit vielen Vorbehalten sind. Die Russen lassen sich von Emotionen leiten, die Deutschen richten sich keinesfalls nach dem Herzen, sondern nach der Vernunft und dem Kopf. Der Deutsche nimmt sich für eine lebenswichtige Entscheidung Zeit. Damals im Juni waren wir unserer endgültigen Trennung sehr nah. Ich konnte sein ewiges Hin und Her nicht nachvollziehen. Ich bin abgereist, ohne dass ich eine Antwort auf die für mich sehr wichtige Frage erhielt. Was wird nun weiter? Aber ich wollte diesen Mann nicht verlieren und gab ihm noch eine Chance.
Nach zwei Monaten folgte der Heiratsantrag. So flog ich im Dezember 2004 wieder nach Frankfurt am Main. Für einen Mann ist es ganz und gar nicht einfach eine Entscheidung zu treffen, die sein bisheriges Leben verändert. Später ist uns dann bewusst geworden, wie viel schwerer es ist, diese Entscheidung umzusetzen. Hier seien die künstlich geschaffenen bürokratischen Hürden genannt, die offensichtlich nur eine Filterfunktion haben. Wer Geduld, Zeit und Geld hat um alle Hindernisse sowohl in Russland als auch in Deutschland zu überwinden, ist herzlich willkommen im „Ausländerparadies" bei seinem Prinzen. Aber wessen Gefühle nicht so stark sind oder wer nicht im Warten geübt ist, fange bitte das Fischlein im Vaterlandsgewässer! Ich erspare mir hier die Aufzählung der Urkunden und Bescheinigungen, die wir für die Heirat in Deutschland brauchten und führe nur ein einziges Beispiel an. Ich musste insgesamt dreimal (!) – im Standesamt Bad Vilbel, vor dem deutschen Notar in Bonn und nochmals im russischen Konsulat in Bonn – unter Eid erklären, dass ich nur einmal verheiratet war, derzeit geschieden bin und einer erneuten Heirat nichts im Wege steht. Aber das reichte dem unersättlichen bürokratischen Monster nicht aus! Wir mussten noch eine eidesstattliche Versicherung meiner in Deutschland lebenden Freundin vorlegen. Ist es nicht unvorstellbar, der vorgelegten Scheidungsurkunde zu misstrauen und mehr Wert auf eine eidesstattliche Versicherung zu legen?
Aber wir haben alles geschafft. Innerhalb einer rekordverdächtigen Frist hatten wir die angeforderten Unterlagen zusammengetragen und diese am Abend des 28. Dezember 2004 dem Standesbeamten präsentiert. Fortuna lies uns nicht im Stich. Wir haben lange auf den Standesbeamten eingeredet, uns noch im Jahr 2004 zu trauen. „Kommen Sie bitte morgen um 12.00 Uhr" war seine letzte Antwort! Die Trauung sollte schon morgen stattfinden und wir hatten weder Trauringe noch Hochzeitskleidung und zwei Stunden später machten hier alle Geschäfte zu. Unser Versuch Trauringe zu kaufen misslang. In Deutschland muss man diese vorher bestellen (Abholung in vier Wochen). Aber die Kleidung für den Bräutigam haben wir noch erstanden. So haben wir beschlossen uns ohne Ringe und Brautkleid trauen zu lassen.
Am 29. Dezember 2004 um 12.30 Uhr wurde ich Frau Kurdum. Aber Frau Kurdum musste in neun Tagen wieder nach Russland zurückkehren, um alle Formalitäten mit ihren Dokumenten zu erledigen und die Familienzusammenführung zu beantragen. Im Grunde genommen waren wir sogar froh, von einander Abstand zu nehmen und uns an die neue Situation zu gewöhnen.
Meine Freunde und Kollegen waren sehr verwundert, als sie vom Ergebnis meiner Reise nach Deutschland erfuhren. Meine Freunde freuten sich mit uns. Aber viele Kollegen waren eher skeptisch. Ein fremdes Land, enorm sparsame berechnende Deutsche, eine fremde Sprache, andere Sitten und Mentalität. Manche mutmassten irrtümlich sogar, ich wäre schwanger. Aber ich wollte keinem erklären, dass ich meinen Mann liebe und dass vieles davon, was die Russen über die Deutschen denken, nur eingepflanzte Klischees sind.
Ich begann wieder meinen Behördengang, diesmal in Russland. Alle Formalitäten und die Vorbereitung meiner Abreise nahmen vier Monate in Anspruch. Wieder vier lange Monate, während derer wir einander sehr vermisst haben. Mein Mann rief mich täglich an. Nach fast jedem Telefonat war mir zum Heulen zumute – so stark sehnte ich mich nach ihm. Und endlich kam der Tag meiner Abreise in das neue Leben – der 4. Mai 2005. Ich fuhr aber nicht allein ab, sondern mit meiner Mutter, die mein Jensi für drei Monate eingeladen hatte, damit sie die neue Heimat ihrer Tochter einmal kennen lernt. Hätte ich ganz allein fahren müssen, wäre es mir vielleicht noch schwerer gefallen mein Zuhause, meine Freunde und meine Heimat zu verlassen.
7. Mai 2005. Am Bahnsteig in Berlin-Lichtenberg erblickte ich die freudigen Gesichter meines Mannes und meiner Schwiegereltern. Am 8. Juli 2005 haben wir unsere Hochzeitsfeier nachgeholt und wie es sich gehört mit Eheringen und in schönen Hochzeitskleidern im Familien- und Freundeskreis unseren Entschluss gefeiert, gemeinsam das Leben zu meistern.
Unsere Hochzeitsreise haben wir vom 26. September bis zum 7. Oktober 2005 unternommen. Mein Mann hat mir wieder ein Märchen geschenkt – eine Woche auf dem Kreuzfahrtschiff „AIDA aura" mit Ausflügen nach Kefalonia, Piräus, Heraklion auf Kreta und Bari. Meinen 28. Geburtstag verbrachte ich auf den Ruinen der alten Akropolis. Anschliessend weilten wir noch unvergessliche drei Tage in Venedig, der Stadt aller Verliebten und Romantiker. Auf der Rückreise machten wir noch für zwei Tage einen Abstecher nach Milano.
Heute ist unser erster Hochzeitstag. Das reale Leben mit seinen Problemen hat uns eingeholt. Es ist nicht alles märchenhaft und nicht immer verläuft alles ohne Reibereien. Wie in jeder anderen Familie auch, haben wir ab und an kleine Auseinandersetzungen. Aber ich bin mir sicher, mit jedem Tag wird unsere Liebe fester, mit jedem Tag liebe ich meinen Mann mehr und mehr. Ich habe bis jetzt noch keine Sekunde bereut, in Russland alles aufgegeben zu haben und hierher gezogen zu sein. Ich liebe und werde geliebt. Ich fühle mich mit meinem Mann geborgen und von ihm beschützt. Es gibt natürlich gewisse Schwierigkeiten – ich vermisse meine Mutter, meine Freunde, ich muss immer Deutsch sprechen, habe momentan keine gute Perspektive zur Aufnahme einer geeigneten Arbeit und dementsprechend später auch keine Rente. Aber wir sind zusammen, ich habe meinen Mann an meiner Seite, der Mensch, der mich liebt, mich versteht und mich unterstützt. Wenn man liebt, kann man alle Hindernisse überwinden, nur immer zusammenhalten. Hauptsache für seine Liebe kämpfen, mit beiden Händen sein Glück halten und an sich selbst, an das Schicksal, an den Märchenprinzen und natürlich an ... Amor glauben!