Tanja & Ralf:

"Sie kam, sah und siegte!"

Tanya und ich haben uns im Oktober 2001 "kennen gelernt" - und das kam so:

Nach 15 Jahren Ehe hatten meine Ex und ich uns auseinandergelebt – zu unterschiedliche Interessen, stark voneinander abweichende Erwartungen vom Leben brachten eine nicht mehr zu tolerierende Kälte in die Beziehung. Die „Kündigung“ war die zwangsläufige Folge.
Zwei Jahre lebte ich mein wiedergewonnenes Junggesellen-Dasein voll aus, doch mehr und mehr spürte ich, dass etwas in meinem Leben fehlte: ein lieber Partner an meiner Seite, der alle Freuden (und auch Leiden) des Lebens mit mir erlebt.
Der „nationale Markt“ gab nicht mehr das her, was ich in einer Partnerin suchte – echte Liebe, Wärme, Zuneigung, Aufrichtigkeit, Familiensinn, Häuslichkeit - die Liste liesse sich beliebig erweitern.

 

Tanja und Ralf

Von einem weitläufigen Bekannten erfuhr ich von sog. bi-nationalen Partnerschaften und Ehen mit Frauen aus den GUS-Staaten. Diese Frauen sollten angeblich alles das verkörpern, was deutsche Mannsbilder in einer Partnerin suchen. Das sie darüber hinaus noch zu den schönsten Frauen der Welt zählen sollen, nahm ich mit Freude zur Kenntnis.

Ich begab mich also in die Tiefen des world wide web und nach einigem Suchen landete ich bei einer Agentur namens I.F., einer Adress-Vermittlung einerseits und - das war die Ausnahme bei solchen Agenturen – einer Art Community andererseits.
Hier wurden nicht nur Adressen heiratswilliger Frauen aus den GUS-Staaten verkauft, hier standen sich auch Mitglieder mit Rat und Tat beiseite.

Erfolgsgeschichte Bild 1

Nach einigen Fehlversuchen (Absagen, gar keine Antworten) fand ich schliesslich meine Tanya, 27 Jahre alt, braune lange gelockte Haare, schlank und mit einem wunderschönen Lächeln – sie schlug förmlich ein wie der Blitz.
Die oder keine, war mein erster Gedanke.
Der zweite Gedanke war schon wieder von einer gewissen Resignation überschattet: So eine Hübsche, die hat bestimmt schon 100e Zuschriften von anderen Kerls bekommen, die wartet nicht auf jemanden wie mich.

Aber was hatte ich zu verlieren (ausser ein paar Euro) ?
Also, dachte ich, schreiben kannst Du ja mal. Ich wollte mir wirklich alle Mühe geben mit meinem ersten Brief an sie, aber das war gar nicht nötig, es schrieb sich wie von selbst und so ganz anders wie die ersten Briefe.


Ab an die angegebene Mail-Adresse und keine 24 Std. später hatte ich Antwort.
Von diesem Tag an haben wir uns täglich mehrere Mails und Greeting-Cards geschrieben und ab der 2. Woche nahezu jeden Tag zwischen 2 und 4 Std. telefoniert.
Ich habe ihr alle zur Verfügung stehenden Fotos von mir, meinem Haus und meinem Umfeld per Mail geschickt - sie wollte alles über mich sehen / wissen. Dank digitaler Fotografie war es kein Problem, ihren Wissensdurst täglich zu stillen.
Schon nach kurzer Zeit stand fest: wir wollen uns sehen. Aber wie am besten anstellen ?


Ich muss dazu sagen, dass Tanya Jüdin ist und somit zur Kategorie der in den GUS-Staaten lebenden Spätaussiedler (auch liebevoll Kontingent-Flüchtlinge genannt) gehört - ein entsprechender Antrag auf Ausreise nach Deutschland lag sowohl von ihr als auch von den Eltern bei der Botschaft in Kiev vor.
Besuchsvisum schied also aus, denn das hätte sie wohl kaum genehmigt bekommen (eben wegen dieses Antrags auf Emigration). Also Travel-Visum. Dazu musste sie aber einen frommen Film erfinden, warum und wohin sie reisen wollte.

Erfolgsgeschichte Bild 2

Die auftauchenden Probleme waren scheinbar unüberwindbar, aber letztlich im Januar 2002 hat es dann für 14 Tage geklappt. Tanya kommt zu mir – hätte der Titel eines Schnulzenschlagers werden können.

Kiev - Frankfurt, Ankunft 9.30 Uhr. Ich wollte sie na klar abholen. Von meinem Wohnort nahe Köln bis Frankfurt ca. 2,5 Stunden Fahrt.
Ich habe die Nacht vorher kaum ein Auge zugemacht, war um 5 Uhr morgens viel zu früh schon in den Startlöchern und bin um 8.20 Uhr in Frankfurt angekommen. Die Maschine hatte 40 Minuten Verspätung, so dass ich ziemlich ziellos den gesamten Frankfurter Flughafen kennengelernt habe. 15 Minuten vor Landung der Maschine fiel mir etwas siedend heiss ein: Sch....., Du hast ja gar keine Blumen.


Na ja, im Flughafen gibt's ja genügend Blumenläden, kein Problem.
Doch ein Problem, denn der einzige !! Blumenladen befand sich genau am anderen Ende des Terminals. Und der Terminal ist gross ! Ich bin selten so gerannt und habe glücklicherweise dann eine langstielige Rose mit weissem Drumherum verpackt in Folie für die Lächerlichkeit von 10,50 EURO erstanden. War aber auch schon egal. Ich hasse solche nicht geplanten Zwischenfälle und kam völlig ausser Atem wieder am Gate an - gerade rechtzeitig, als der erste Schwung Fellmützen durch das Tor kam.


Dann kam sie, noch schöner als auf den Fotos, suchend, mich findend, völlig scheu, so ganz anders als am Telefon. Das Ankunftsfoto hatte ich vor lauter Aufregung regelrecht verschossen, an die Rose habe ich erst wieder einige Minuten später denken können.
Ich versuchte, ihr die Scheu ein wenig zu nehmen (war vorher so verabredet), nahm sie in den Arm und versuchte, einen Kuss auf ihre Wange zu plazieren. Scheu drehte sie den Kopf ein wenig zur Seite, aber es reichte noch für einen Treffer.
Dann gingen wir aus dem Terminal hinaus in Richtung Parkhaus und rauchten erst mal eine Zigarette. Sie erzählte vom Flug usw., ich hörte gar nicht richtig zu, hatte nur Augen für sie, betrachtete sie von der Seite, beobachtete sie ganz genau.


Auf dem Heimweg, gerade auf der Autobahn, bat sie mich, bei der nächsten Möglichkeit raus zu fahren. Klar, dachte ich, sie muss mal. Fehlanzeige, sie bat mich, mit meinem Handy mal kurz zu Hause anrufen zu dürfen, dass sie sicher gelandet sei.
Das ich ihr das nicht selber angeboten hatte, ärgerte mich schon ein wenig.
Die restliche Heimfahrt gestaltete sich relativ ruhig. Anfangs deutete ich ihr Schweigen als eine Mischung aus Müdigkeit, Heimweh, Angst vor dem Neuen / Unbekannten etc. aber auf Befragen teilte sie mir mit, sie geniesse einfach nur die Fahrt, betrachte die Landschaft und sauge überhaupt alles in sich auf.
Für uns ist eine Fahrt auf der A 3 zwischen Frankfurt und Köln wohl alles andere als reich an Eindrücken und Erlebnissen, jedoch für sie mussten diese doch so totalen Unterschiede in Landschaft, Strassen und Städten überwältigend sein.

Zu Hause angekommen stellte sie erst mal ihre Habseligkeiten in die Ecke und schaute sich im Erdgeschoss des Hauses ausgiebig um.
Plötzlich und unvermittelt fiel sie mir um den Hals. Wir verlebten zwei wundervolle Wochen. Es war von Beginn an kein Thema für sie, dass wir zusammen in meinem Schlafzimmer schliefen, schliesslich wollte sie mich kennenlernen, mit mir zusammen leben und nicht abgeschieden in meinem Gästezimmer verweilen.

Der Abschied nach 14 Tagen war wohl so ziemlich das Härteste, was ich je erlebt habe. Sie flog zurück von Köln direkt nach Donetsk, der Flughafen war keine halbe Stunde von meinem Wohnort entfernt. Trotzdem wollte sie 2 Stunden vorher dort sein, um ja nicht die Maschine zu verpassen. Diese 2 Stunden zogen sich einerseits zur Ewigkeit, andererseits konnten sie gar nicht lange genug dauern.
Aber dann war sie weg, ich fuhr nach Hause und hatte eine Stimmung, in der mir besser keiner zu nahe kam. Warum müssen wir uns jetzt schon wieder trennen ? Warum kann man sich nicht nächste Woche wiedersehen ?
Ein sch.... Gefühl.


Jedoch waren wir uns nach diesen 14 Tagen einig, wir wollten zusammen bleiben und so schnell wie möglich heiraten.
Nun muss ich gestehen, dass ich zu diesem Zeitpunkt noch verheiratet war - zwar nur auf dem Papier, aber bislang sah ich keine Notwendigkeit, eine in meinem Fall sehr kostenintensive Scheidung zu forcieren.
Doch jetzt war alles anders. Ich trieb die Angelegenheit voran, suchte mir einen Winkel-Advokaten, der etliche Tricks, Kniffe und entsprechende Verbindungen kannte, das Verfahren von normalerweise 3-4 Monaten auf 4-6 Wochen zu reduzieren.
Glücklicherweise hat damals meine Ex keine Zicken gemacht - das kam erst später – so dass ich Anfang April glücklich (und teuer) geschieden war.
Für das Heiratsvisum benötigte Tanya nämlich das rechtskräftige Scheidungsurteil, daher die Eile.

Nachdem auch sie drüben Gas gegeben und ihre Papiere schnell zusammengetragen hatte, konnten wir den Termin für ihr endgültiges Kommen auf Ende Juni 2002 legen. Dieses Mal flog sie nicht von Kiev nach Erhalt des Visums, sondern kehrte erst noch mal nach Hause zurück, um einerseits ihr Hab und Gut mitzunehmen und andererseits sich von den Eltern zu verabschieden.
Ich hatte mir ein paar Tage Urlaub genommen und wir genossen erst mal das Wiedersehen.
Danach packte uns ganz schnell der Alltag, denn auch hier in Deutschland gibt es einen Beamtenapparat, der gerne alles doppelt und dreifach prüft. Also mussten wir, bevor wir heiraten konnten, auch hier von A nach B laufen, um alle Papiere zu erhalten, zu übersetzen, zu beglaubigen und letztlich beim Standesamt abzuliefern.
Jedoch nach Aussage von Tanya alles um ein Vielfaches einfacher als bei ihr zu Hause / Kiev.


10 Tage Österreich gönnten wir uns noch vor der Hochzeit, weil wir nicht wussten, ob der Termin Ende September gehalten werden konnte und danach das Wetter nicht mehr mitspielen würde.
Am 20. September aber war dann der grosse Tag: wir heirateten – zwar nur standesamtlich, da wir beide kirchlich nicht organisiert sind und darüber hinaus das ohne ihre Familie auch keinen Sinn gemacht hätte.
Zugegen war nur ein langjähriges Freundespaar von mir, die Tanya sofort ins Herz schlossen - und umgekehrt.
Nun waren wir ein Ehepaar.

Erfolgsgeschichte Bild 3

Das Zusammenleben mit Tanya war (und ist) so ganz anders als ich es von früher gewohnt war: es wird nie langweilig. Allein schon die sprachliche Verständigung gab anfangs immer wieder Anlass zu liebevollen Missverständnissen und teilweise herzhaften Lachern.
Sie besuchte dann parallel 3 Deutschkurse, um ihr eigentlich recht passables Deutsch kontinuierlich zu verbessern. Ausserdem musste sie für die Erneuerung des Führerscheins pauken, die Umschreibung machte eine Prüfung in Theorie und Praxis notwendig.
Ein kleines Auto hatten wir ihr sofort nach ihrer Ankunft im Juli gekauft, das Geld hatte sie sich eisern zusammengespart und den (wahrscheinlich grossen) Rest hatte ihr Vater beigesteuert.

Inzwischen leben wir nun seit mehr als einem Jahr zusammen, ohne dass wir jemals grössere Probleme oder Streitigkeiten hatten (wäre ja auch schlimm nach nur einem Jahr). Aber trotz der unterschiedlichen Nationalitäten und Kulturen haben wir sehr schnell einen gemeinsamen Nenner gefunden.

Tanya meistert nahezu alle Alltäglichkeiten völlig selbständig, fährt mit ihrem kleinen Auto durch unsere Gegend als wäre sie hier aufgewachsen, auch für sie technisches Neuland wie beispielsweise Autowaschstrasse, Parkhaus oder Geldautomat stellen für sie kein Hindernis dar.
Auch den Einkauf in Supermärkten erledigt sie bei Bedarf eigenständig und preisbewusst, obwohl wir solche Dinge auch gerne gemeinsam erledigen.
Lediglich die unterschiedlichen Geschmäcker in Bezug auf Küche und Mahlzeiten bereiten hin und wieder Kopfzerbrechen, aber auch hier versuchen wir meist, eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden.

Erfolgsgeschichte Bild 4

Als nächstes Projekt wird die Emigration ihrer Eltern anstehen, die bereits grünes Licht aus Kiev erhalten haben und nun nur noch ihre persönlichen Angelegenheiten zu Hause regeln müssen. Ihre Ankunft in Deutschland wird wohl zum Ende des Jahres sein – eine gerade für Tanya schöne Bereicherung des Lebens, ihre Eltern zukünftig wieder in der Nähe zu wissen.
Für sie wollen wir im Vorfeld eine Wohnung besorgen, um den Aufenthalt in den Übergangslagern so kurz wie möglich zu halten.

Es wird also auch in Zukunft nicht langweilig werden - und das ist gut so. Auch die nicht wegzuleugnenden 16 Jahre Altersunterschied machen mir - bis jetzt - nichts aus. Im Gegenteil, es hält jung.

 
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